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Schöne Lügen: Roman (German Edition)

Schöne Lügen: Roman (German Edition)

Titel: Schöne Lügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Haut, rührte an ihr Herz und ließ es ganz weit werden. Seine Hand, mit der er noch immer über ihren Arm rieb, war so beruhigend, daß Erin den eigenartigen Wunsch verspürte, sich gegen seinen überwältigenden Oberkörper zu lehnen, um dort Trost zu finden.
    Gab es nicht irgendwo eine Studie, die über die außergewöhnlichen Beziehungen Gefangener und ihrer Wärter berichtete? War es nicht so, daß Gefange oft so sehr von ihren Wärtern abhängig wurden, bis sie ihnen verfielen?
    Diese Möglichkeit faßte Fuß in ihrem Gehirn und erschütterte sie bis tief in die Seele. Schnell machte sie der Nähe ein Ende, sie fürchtete sich auf einmal vor dem körperlichen Sog, den er auf sie ausübte. Zweifellos hatte sie sich die augenblickliche Sanftheit in ihm nur eingebildet, denn als sie jetzt in sein Gesicht sah, fand sie darin nur die übliche Härte und den bekannten Ingrimm.
    Sie hörte, wie er einen leisen Fluch ausstieß, dann marschierte er eilig davon.

4. KAPITEL
    Erin blätterte gerade in den Photoalben, als Lance einige Stunden später hereinkam. Es war noch nicht einmal elf, doch ihr Körper brauchte gemäß der Uhrzeit von Houston und nach allem, was an diesem Tag geschehen war, Ruhe. Doch sie schaffte es nicht, sich einfach auf das Sofa zu legen und im Schlaf Vergessen zu finden.
    Sie hockte über den Bildern und suchte auf jedem einzelnen nach Hinweisen, die vielleicht die Charakterzüge ihres Bruders enthüllten. Melanie hatte ihr die Alben zusammen mit einem Arm voller Decken und Kissen gebracht.
    »Mr. Barrett hat mich gebeten, dich hiermit zu versorgen. Ich habe ihm vorgeschlagen, dich oben im Gästezimmer unterzubringen, aber das wollte er nicht.«
    »Kann ich mir denken«, knurrte Erin.
    »Mir ist eingefallen, daß diese Alben noch in unserem Schlafzimmerschrank waren. Möchtest du sie dir ansehen?«
    »Danke, Melanie. Ich kann dir gar nicht sagen, wie bedrückend diese vier Wände für mich sind. Trotzdem möchte ich alles über Ken erfahren.«
    Melanie zeigte ein Verständnis, das Erin überraschte. »Ich würde gern bei dir bleiben und mit dir reden, Erin. Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich dich allein lasse. Immerhin mußt du über dreißig Jahre von Kens Leben nachholen.«
    Impulsiv stand Erin auf, ging zu ihrer Schwägerin und gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Danke, daß du mich akzeptierst. Ich weiß, wenn sie ihn erst einmal gefunden haben, wird für euch beide noch alles gut werden. Ich bin für dich da, wenn du Hilfe brauchst.«
    »Oh, Erin, Ken wird dich lieben. Ich weiß es.« Jetzt klang Melanie wieder wie ein unschuldiges Kind.
    Erin streifte die Schuhe von den Füßen und zog dann die Beine unter sich, als sie es sich in einer Ecke des Ledersofas gemütlich machte und die Fotos studierte. Da gab es Bilder von Ken mit einem netten Ehepaar, von dem Erin annahm, daß es seine Adoptiveltern sein mußten. Sie lachte über eines der Bilder, auf dem Ken etwa neun Jahre alt war und mit riesigen Mickey-Maus-Ohren vor den Toren von Disneyland stand. In den nächsten Stunden breitete sich sein ganzes Leben wie ein Kaleidoskop vor ihr aus. Mit dem Finger strich sie vorsichtig über eine Fotografie, die erst kürzlich aufgenommen worden sein mußte. Ken stand an der Fisherman’s Wharf, sein dunkles Haar war vom Wind zerzaust, er lachte übermütig, seine langen Beine in den abgewetzten, abgeschnittenen Jeans waren gebräunt und muskulös.
    Tränen brannten in Erins Augen, und sie betete darum, daß sie diesen Mann bald sehen könnte, der ihr einziger Blutsverwandter auf dieser Welt war. Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus den Augen, gerade in diesem Augenblick ging die Tür auf.
    Einen Moment lang blieb Lance stehen und genoß den Anblick der Person, die sich in eine Ecke der Couch gekuschelt hatte. Entweder ist sie diejenige, die sie zu sein behauptet,
oder sie ist eine phantastische Schauspielerin, dachte er, als sie sich, wie gesagt, die Augen wischte.
    Die Müdigkeit war ihr anzusehen, doch er fand, daß die eingefallenen Wangen nur noch den verlorenen Ausdruck in ihrem Gesicht unterstrichen, der es so unwiderstehlich machte. Die schwachen, lavendelfarbenen Schatten unter ihren riesigen, unergründlichen Augen ließen diese ganz verwunschen erscheinen. Jeder Mann, der auch nur einen Funken Verstand besaß, würde so schnell und so weit von ihr weglaufen wie möglich.
    Er schluckte, weil sich unerklärlicherweise sein Hals verengte, als sein Blick auf die langen

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