Schöne Lügen: Roman (German Edition)
Er hielt sie ganz fest, und Erin erstarrte unter der hypnotischen Kraft seiner Blicke.
»Dies hier ist nie geschehen«, flüsterte er rauh. »Hast du mich verstanden, Erin?« Seine Stimme war drängend, sie zwang sie zu begreifen, was er ihr sagen wollte. »Dies hier ist nie geschehen. Weißt du, was ich meine?«
Benommen schüttelte sie den Kopf. Nie geschehen.
Aber natürlich konnte er sie im Dunkeln nicht sehen.
5. KAPITEL
Als Erin am nächsten Morgen erwachte, hatte er den Raum bereits verlassen. Langsam öffnete sie die Augen, dann sah sie sich in dem Zimmer um, ohne den Kopf zu bewegen. Nichts hatte sich über Nacht verändert, es war alles noch genauso wie zuvor. Nur sie hatte sich verändert. Alle Veränderungen hatten nur in ihr selbst stattgefunden.
Vielleicht war ja alles auch nur ein Alptraum gewesen. Ja? Nein.
Also gut, wenn es zu angenehm gewesen war für einen Alptraum, dann war es jedenfalls nicht mehr als ein Traum gewesen. Nein. Sie konnte noch immer den Duft von Lances Rasierwasser auf ihrer Haut riechen. Ihre Brüste prickelten, wo seine Wangen mit den Bartstoppeln sie berührt hatten. Ihr Körper erinnerte sich an zu viele Einzelheiten seiner innigen Umarmung, selbst jetzt noch stand lebhaft jeder Augenblick der vergangenen Nacht vor ihrem inneren Auge. Es war kein Traum gewesen.
Ihre Blicke gingen wieder zu dem Sessel, in dem er geschlafen hatte. Das zerdrückte Kissen darin zeigte noch den Abdruck seines Kopfes. Ein Gefühl unendlicher Zärtlichkeit erwachte in Erin, und sie lächelte bei der Erinnerung an das, was geschehen war.
Doch ihr Lächeln verschwand, als sie seine Decke sah, die
er achtlos auf den Boden neben dem Sessel geworfen hatte. Zweifellos hatte er auch jeden Gedanken an sie genauso achtlos beiseite geschoben.
Sie preßte eine Faust auf ihren Mund und fühlte sich entsetzlich, wenn sie daran dachte, mit welcher Leidenschaft sie seine Küsse erwidert hatte. Himmel! Sicher sonnte er sich heute morgen in seinem Erfolg. Es hätte ihn nicht viel gekostet, sie zu verführen … Nein!
Ein Schluchzen stieg in ihrer Brust auf, und eine einzelne Träne rann aus ihrem geschlossenen Auge über ihre hochrote Wange, dann barg Erin den Kopf in ihrem Kissen.
Wie hatte das alles nur geschehen können?
Sie konnte sich nicht damit herausreden, daß er sie mit Alkohol gefügig gemacht oder an ihre Sympathie appelliert hatte; auch hatte er sie nicht gewalttätig gezwungen, seine Küsse über sich ergehen zu lassen. Nicht einmal mit Schmeicheleien hatte er sie ködern müssen. Er war ganz einfach aus der Dunkelheit aufgetaucht, hatte sie berührt und geküßt, und sie war allzu willig gewesen, ihm all das und mehr zu geben als das, was er von ihr verlangt hatte.
Sie fühlte sich elend, noch einmal stöhnte sie auf vor Erniedrigung, wenn sie daran dachte, wie er mit seinen gierigen, räuberischen Lippen ihre nackten Brüste berührt hatte. Nein. Seine Lippen waren weder gierig noch räuberisch gewesen. Und um ihre Erniedrigung zu vervollständigen, schmerzte jedesmal, wenn vor ihrem inneren Auge das Bild wieder auferstand, ihr Körper vor Verlangen.
Sie durfte hier nicht liegenblieben und grübeln, es wäre besser, ihm gegenüberzutreten und so zu tun, als sei nichts geschehen. Für ihn war es sowieso nichts anderes gewesen als
ein Intermezzo in der Dunkelheit. Er durfte nicht wissen, wieviel es ihr bedeutet hatte. Sie stand auf und bemerkte, daß ihr Oberkörper noch immer nackt war. Erst nach einer hektischen Suche fand sie ihr T-Shirt hinter der Couch.
Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür. Sie lauschte zuerst, doch waren keinerlei Geräusche aus dem Haus vernehmbar. So leise sie konnte, verließ sie den Raum und ging in das kleine Bad, das sie auch am vorhergehenden Abend benutzt hatte. Sie schauderte vor Verlegenheit, als sie daran dachte, in welch peinlichem Zustand Lance sie gestern hier überrascht hatte. Eigentlich brachte jeder Gedanke an ihn ihr Inneres in heißen Aufruhr.
»Oh, da bist du ja«, meinte Melanie, als Erin aus dem Bad kam. Ihre Schwägerin stand an der Schwelle zum Arbeitszimmer.
»Guten Morgen«, murmelte Erin und hoffte nur, Melanie würde ihr das Schuldgefühl nicht ansehen.
Sie benahm sich wie ein Idiot! Was war denn überhaupt geschehen? Sie hatte ein wenig geknutscht, das war alles. Die Menschen taten so etwas immer und überall. Deshalb war sie noch lange keine Prostituierte.
»Ich komme, um dich zu erretten«, tat Melanie geheimnisvoll. »Ich habe
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