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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Eintrachtsandachtshymne.« Er rächte sich an den beiden Freunden, weil sie einander lieber hatten als ihn.
    Diese kleine Rache gönnte er sich noch oft während der nächsten Zusammenkünfte. Sie war einfach und, weil nichts den Wilden und Helmholtz so schmerzte, als ihren geliebten Verskristall beschmutzt und zertrümmert zu sehen, auch höchst wirksam. Endlich drohte Helmholtz, ihn beim Kragen zu nehmen und hinauszuwerfen, wenn er nochmals zu unterbrechen wage. Und doch war, seltsam genug, Helmholtz selbst der Urheber der nächsten und allerschä ndlichsten Unterbrechung.
    Der Wilde las aus »Romeo und Julia« vor; und weil er dabei sich selbst als Romeo und Lenina als Julia sah, las er von tiefster Leidenschaft bewegt. Helmholtz hörte die erste Begegnung der Liebenden stutzend, aber mit Interesse an. Die Poesie der Gartenszene entzückte ihn; über die Empfindungen jedoch, die darin vorkamen, mußte er lächeln. Sich wegen des Beisammenseins mit einem Mädchen so aufzuregen, war doch recht lächerlich! Aber im einzelnen betrachtet, Wort für Wort, gewiß eine erstklassige gefühlstechnische Leistung. »Gegen diesen alten Knasterbart«, sagte er, »sind unsere tüchtigsten Propagandaingenieure die reinsten Stümper.« Der Wilde lächelte triumphierend und las weiter. Eine Zeitlang ging alles ganz gut, bis zur Schlußszene des dritten Akts, in der Capulet und seine Gattin ihrer Tochter Julia zusetzen, den Grafen Paris zu heiraten. Helmholtz war während der ganzen Szene unruhig gewesen, aber als der Wilde pathetisch vorlas, wie Julia ausruft: »Und wohnt kein Mitleid droben in den Wolken, Das in die Tiefe meines Jammers schaut?
    O süße Mutter, stoß mich doch nicht weg!
    Nur einen Monat - eine Woche Frist!
    Wo nicht, bereite mir das Hochzeitsbette In jener düstern Gruft, wo Tybalt liegt -«, da konnte Helmholtz sich nicht beherrschen und brach in brüllendes Gelächter aus.
    Vater und Mutter - schon an sich eine groteske Obszönität - , die ihrer Tochter einen Mann aufzwangen, den sie nicht haben wollte! Und die dumme Gans sagte nicht rundheraus, daß sie, jedenfalls für den Augenblick, einen anderen habe, den sie besser fände! Die zotige Unsinnigkeit der Szene war unwiderstehlich komisch. Heldenhaft hatte er es zuwege gebracht, seine aufsteigende Lachlust zu unterdrücken, aber »süße Mutter«, vom Wilden in tremolierenden Angsttönen deklamiert, und der Hinweis auf Tybalt, der tot und anscheinend nicht verbrannt war und seinen Phosphor in einer düsteren Gruft vergeudete, das war zuviel für ihn. Er lachte und lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen kollerten, hemmungslos, indes der Wilde ihn, über das Buch hinweg, blaß und außer sich ansah. Als das Gelächter anhielt, klappte er den Band entrüstet zu, erhob sich und verschloß ihn in der Lade wie einer, der seine Perlen den Säuen wieder wegnimmt.
    »Immerhin«, sagte Helmholtz, nachdem er genü gend verschnauft hatte, um sich zu entschuldigen, und der Wilde so weit besänftigt war, daß er den Erklärungen zuhörte, »immerhin weiß ich recht gut, daß man dergleichen lächerliche, verrückte Situationen braucht, um wirklich gut schreiben zu können. Wie brachte es der alte Knasterbart zuwege, ein so hervorragender Propagandatechniker zu sein? Weil es für ihn so viel Tolles, Herzzerreißendes gab, worüber er sich aufregen konnte. Man muß verwundet und verstört sein, damit einem die wirklich guten, röntgenstrahlengleich durchdringenden Worte einfallen. Aber Vater und Mutter!« Er schüttelte den Kopf. »Verlangen Sie wirklich von mir, daß ich ernst bleibe, wenn von Vater und Mutter die Rede ist? Und wen regt es schon auf, ob einer ein Mädchen hat oder nicht?« Der Wilde zuckte zusammen, aber Helmholtz starrte nachdenklich zu Boden und bemerkte es nicht. »Nein«, seufzte er, »so geht das nicht. Wir brauchen Wahnsinn und Heftigkeit von anderer Art. Aber von welcher? Und wo findet man sie?« Er schwieg. »Ich weiß es nic ht«, sagte er endlich kopfschüttelnd, »ich weiß es wirklich nicht.«

Dreizehntes Kapitel
    Im Dämmerlicht des Embryonendepots tauchte Henry Päppler auf.
    »Möchtest du heute abend mit mir ins Fühlkino gehen?«
    Lenina schüttelte stumm den Kopf.
    »Gehst du mit einem anderen aus?« Es interessierte ihn immer, welcher seiner Freunde mit welcher seiner Freundinnen schlief. »Mit Benito?« fragte er.
    Neuerliches Kopfschütteln.
    Henry gewahrte die Müdigkeit dieser purpurnen Augen, die Blässe unter der Lupuslasur,

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