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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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köstlich weich, so glühend und elektrisierend, daß er an die Umarmungen in »Drei Wochen im Helikopter« denken mußte. Aah, aah, die stereoskopische Goldblonde, und uuh, der mehr als lebensechte Mohr. Grauen, Grauen, Grauen... Er versuchte sich zu befreien, aber sie umschlang ihn fester.
    »Warum hast du es denn nicht gesagt?« flüsterte sie und bog den Kopf zurück, um ihn anzusehen, zärtlichen Vorwurf im Blick.
    »Nicht die dämmerigste Höhle, nicht der bequemste Platz«, donnerte die Stimme des Gewissens voll Poesie, »die stärkste Lockung, so unser böser Genius vermag, soll meine Ehre je in Wollust schmelzen. Nein, niemals, niemals!« gelobte er.
    »Du dummer Junge!« sagte sie. »Ich habe ja solches Verlangen nach dir gehabt! Und wenn du auch nach mir, warum hast du dann nicht -?«
    »Hör doch, Lenina -«, begann er abwehrend. Sie löste sofort die Arme von seinem Nacken und trat einen Schritt zurück; einen Augenblick glaubte er, sie habe seine unausgesprochene Andeutung begriffen. Als sie aber ihren weißen Patronengürtel losschnallte und sorgfältig über einen Stuhlrücken hängte, begann er zu argwöhnen, daß er sich geirrt hatte.
    »Lenina!« wiederholte er ängstlich.
    Sie hob die Hand zum Hals und zog von oben nach unten; ihre weiße Matrosenbluse stand bis zum Saum offen.
    Sein Argwohn verdichtete sich zu fester Gewißheit. »Lenina, was tust du?«
    Zipp, zipp! war die wortlose Antwort. Sie stieg aus der weiten Hose. Ihr Zipphemdhöschen war mattrosa wie das Innere einer Muschel. Das goldene T des Erzchormeisters baumelte auf ihrer Brust.
    »Denn diese Milchbrust, die durch das Fenster kirrt der Männer Augen -« Die melodisch donnernden Zauberworte ließen sie doppelt gefährlich und verführerisch erscheinen. »Die stärksten Schwüre sind Stroh für feurig Blut. Enthalt dich mehr, sonst - «
    Zipp! Das rosig Rundliche teilte sich wie ein säuberlich zerschnittener Apfel. Ein Winden der Arme, ein Heben erst des rechten, dann des linken Fußes: das Zipphemdhöschen lag leblos, wie eine geplatzte Hülle, auf dem Boden.
    In Schuhen und Söckchen, die kokett aufgesetzte weiße Mütze noch über dem Ohr, näherte sie sich ihm. »Liebster, Allerliebster! Wenn du es doch schon früher gesagt hättest!« Sie streckte ihm die Arme entgegen.
    Aber statt seinerseits »Liebste!« zu sagen und die Arme auszubreiten, wich der Wilde schreckerfüllt zurück und fuchtelte mit den Händen, als versuchte er ein eingedrungenes gefährliches Tier zu verscheuchen. Vier Schritte wich er zurück, dann hielt ihn die Wand auf.
    »Süßer!« gurrte Lenina, legte ihm die Hände auf die Schultern und schmiegte sich an ihn. »Leg deine Arme um mich!« befahl sie. »Drück mich, entrück mich, mein Schatz!« Oh, auch ihr stand Poesie zur Verfügung, sie kannte Worte voll Gesang und Zauberkraft und Trommelklang. »Küß mich«, sie schloß die Augen, ihre Stimme war nur noch ein schläfriges Murmeln, »bis ich in einem Koma -« Der Wilde packte sie an den Gelenken, riß ihre Hände vo n seinen Schultern und stieß sie roh auf Armeslänge von sich.
    »Au, du tust mir ja weh, du - au!« Sie schwieg plötzlich.
    Vor Schreck vergaß sie den Schmerz. Sie hatte die Augen geöffnet und sein Gesicht gesehen, nein, nicht seines, sondern das blasse, verzerrte Gesicht eines wilden Fremdlings, das in toller, unerklärlicher Wut zuckte. Entgeistert stammelte sie: »Ja, was ist nur los mit dir, Michel?« Er antwortete nicht, sondern starrte sie stumm mit wahnsinnigen Augen an. Seine Hände, um ihre Gelenke geklammert, zitterten. Sein Atem ging schwer und unregelmäßig. Plötzlich hörte sie ihn mit den Zähnen knirschen, ganz schwach, aber beängstigend. »Was ist denn los?« Sie kreischte fast.
    Wie durch ihren Schrei erweckt, faßte er sie an den Schultern und schüttelte sie. »Dirne!« rief er. »Dirne! Schamlose Metze!«
    »O nicht!« rief sie, und ihre Stimme bebte lächerlich, weil er sie noch immer schüttelte.
    »Dirne!«
    »Bi- itte!«
    »Verfluchte Dirne!«
    »Ein Gra-amm versuuchen -«, begann sie.
    Er gab ihr einen so heftigen Stoß, daß sie stolperte und fiel. »Geh«, schrie er, drohend über ihr stehend, »geh mir aus den Augen, oder ich töte dich!« Er ballte die Fäuste.
    Schützend hob Lenina den Arm vors Gesicht. »Nein, bitte nicht, Michel -«
    »Steh auf! Los!«
    Den Arm noch immer erhoben, mit entsetztem Blick jede seiner Bewegungen verfolgend, raffte sie sich auf und entwischte geduckt, ihren Kopf

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