Schoene, raetselhafte Becca
Bowman-Geschwister, so oft es ging, um den Esszimmertisch.
Ohne Caidy hätte es diese Treffen sowieso nicht gegeben. Nach dem Mord an ihren Eltern waren sie alle ihre eigenen Wege gegangen. Irgendwann hatte Ridges Frau sich von ihrem Mann getrennt, und Caidy hatte nach der Schule beschlossen, sich um die Ranch und Ridges Tochter Destry zu kümmern – und die Tradition der sonntäglichen Mittagessen wieder aufleben lassen.
„Ich habe auch die ganze Nacht gearbeitet“, erwiderte Trace mit einem tadelnden Blick zu seinem Bruder. „Aber da ich keine Memme bin, werde ich meinen Teil der Hausarbeit übernehmen. Ruh du dich nur aus, Taft. Du sollst dich ja schließlich nicht überanstrengen. Ich kümmere mich um den Abwasch.“
Das konnte sein Bruder natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Genau damit hatte Trace gerechnet. Taft spülte das Geschirr, Trace trocknete es ab und stellte es in den Schrank, während Destry und Ridge den Tisch abräumten.
Ridge kam in die Küche, gefolgt von Destry. „Bitte, Dad. Wenn wir noch länger warten, ist es zu spät.“
„Zu spät wofür?“
„Weihnachten!“, rief Destry. „Heute ist schon der letzte Sonntag im November. Wenn wir uns nicht bald einen Baum besorgen, wird zu viel Schnee in den Bergen liegen. Bitte, Dad. Bitte, bitte, bitte …“
Ridge seufzte.
Trace verstand ihn nur allzu gut. Keines der Geschwister konnte Weihnachten viel abgewinnen, nachdem ihre Eltern vor zehn Jahren wenige Tage vor dem Fest umgebracht worden waren.
„Wir werden einen besorgen“, versprach Ridge. Er warf seinen Brüdern einen Blick zu. „Kommt einer von euch Jungs mit mir, damit ich den Baum abtransportiert kriege? Wir können auch für euch einen schlagen.“
Taft zuckte mit den Schultern. „Ich habe eine Verabredung. Tut mir leid.“
„Am Sonntagnachmittag?“ Caidy zog die Augenbrauen hoch.
„Na ja, es ist nicht wirklich eine Verabredung“, sagte Taft grinsend. „Ich besuche eine Freundin. Wir wollen uns einen Film anschauen.“
Ridge verdrehte die Augen und wandte sich an Trace. „Was ist mit dir?“
„Ich bin dabei. Gehen wir.“
Ein Ausritt in die Berge würde ihm guttun. Dabei konnte er sich nach einer Woche voller Doppelschichten einmal so richtig den Kopf durchpusten lassen.
Es war eine gute Entscheidung, dachte er eine halbe Stunde später, als er auf seinem Falben Genie über den Weg ritt, der direkt zum Wald führte. Als viel beschäftigter Chef einer chronisch unterbesetzten Polizeistation hatte er kaum Freizeit. Umso mehr genoss er jetzt die frische klare Luft und die Schneeflocken, die auf ihn niederrieselten.
Er liebte die River Bow Ranch. Das war sein Zuhause – trotz der traurigen Erinnerungen. Seit fünf Generationen, wenn man Destry mitzählte, lebten die Bowmans schon hier. Sein Urgroßvater hatte das Anwesen kurz nach dem Ersten Weltkrieg erworben. Ein herrlicher Flecken Erde.
Unterhalb der Ranch sah er die Lichter von Pine Gulch in der Dämmerung. Das war seine Stadt. Ja, der Name klang zwar wie aus einem alten Wildwestfilm, aber er liebte sie. Man hatte ihm schon bessere Angebote in Idaho und sogar in anderen Bundesstaaten gemacht. Aber jedes Mal, wenn er kurz davor stand, Pine Gulch zu verlassen, dachte er an all die Dinge, die er aufgeben müsste. Seine Familie, sein Erbe, all die kleinen lieb gewonnen Traditionen wie das Frühstück im Gulch nach einer Nachschicht. Die Opfer, die er hätte bringen müssen, erschienen ihm einfach zu groß.
„Danke, dass du mitgekommen bist.“ Destry führte ihr Pony neben seine Stute.
„Ist mir ein Vergnügen. Danke, dass du mich gefragt hast, Kleines.“
„Stellst du dieses Jahr auch mal einen Baum auf, Onkel Trace?“
„Weiß nicht. Für mich allein lohnt sich das doch gar nicht.“
Er sagte es nicht gern, aber es stimmte. Er wollte nicht mehr allein sein. Vor einem Jahr hatte er geglaubt, endlich so weit zu sein. Er war ein paar Mal mit Easton Springhill ausgegangen. Ihr gehörte die Winder Ranch auf der anderen Seite des Canyons. Trace ließ den Blick schweifen. Von hier aus konnte er sie sehen.
Aber Easton war nicht für ihn bestimmt. Das hatte er von Anfang an geahnt, obwohl er es sich nicht eingestehen wollte. Eines Tages war Cisco del Norte zurück in die Stadt gekommen, und Trace hatte feststellen müssen, dass Easton den Mann immer noch liebte.
Trace fand Cisco nicht besonders sympathisch, aber er musste zugeben, dass er Easton glücklich machte. Nach der Hochzeit hatten sie ein
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