Schoene, raetselhafte Becca
die schlanke, hübsche Frau und ihr offensichtliches Unbehagen in seiner Nähe gingen ihm nicht aus dem Kopf. Sie war ihm ein Rätsel, und er wollte einigen ihrer Geheimnisse auf die Spur kommen, um sicherzugehen, dass sie den Frieden in seiner Stadt nicht störte.
Das jedenfalls würde er allen erzählen, die ihn nach dem Grund für sein Interesse an ihr fragen sollten.
Wie halten Eltern diesen Hausaufgabenstress nur jahrelang aus?
Seufzend strich Becca das Hausaufgabenblatt ihrer Schwester glatt. Gabi stellte sich an, als habe man von ihr verlangt, sich sämtliche Wimpern auszureißen. Dabei ging es doch bloß um vier Rechenaufgaben. „Wir haben’s gleich, Gabi. Komm, das schaffst du doch.“
„Natürlich schaffe ich das.“ Obwohl sie fast einen halben Meter kleiner als Becca war, gelang es ihr irgendwie, auf sie hinabzuschauen. „Ich sehe bloß nicht ein, warum ich das machen soll.“
„Weil es deine Hausaufgaben sind, Schatz.“ Becca zwang sich, geduldig zu bleiben. „Wenn du sie nicht machst, kriegst du eine schlechte Note in Mathematik.“
„Na und?“
Becca ballte die Hand zur Faust. Ihre Schwester war superintelligent, aber total unmotiviert. Es war umso frustrierender für Becca, weil sie selbst während der kurzen, immer wieder unterbrochenen Schuljahre viel härter hatte arbeiten müssen, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Nicht, dass ihr Eifer sie besonders weit gebracht hätte …
Sie ließ ihren Blick durch das Wohnzimmer mit der altmodischen Tapete und über die Wasserflecke an der Decke schweifen. Diese schäbige Hütte war nichts im Vergleich zu ihrem eleganten Stadthaus in Scottsdale mit den riesigen Yuccapalmen auf der großen Terrasse. Plötzlich vermisste sie ihr altes Zuhause schmerzlich. Sie würde nie wieder dort wohnen. Ihre Mutter hatte ihr das Haus genommen – wie so viele andere Dinge auch.
Sie schluckte ihre Verbitterung hinunter. Niemand hatte sie schließlich gezwungen, ihr Haus zu verkaufen, um die Opfer auszuzahlen, die ihre Mutter betrogen hatte. Wenn sie sich nicht um den Schlamassel gekümmert hätte, den ihre Mutter angerichtet hatte, hätte sie ihr altes Leben weiterleben und ihre Karriere weiterverfolgen können – und sich ihren guten Ruf bewahrt.
Aber darum ging es im Moment nicht. Jetzt verhielt sie sich genau wie Gabi, die über Dinge jammerte, welche nicht mehr zu ändern waren. „Meine liebe Schwester, wenn du in der vierten Klasse sitzenbleibst, dann werde ich dich zu Hause unterrichten müssen. Und ich werde strenger als jede Lehrerin sein. Also los jetzt. Noch vier Aufgaben.“
Gabi seufzte theatralisch und nahm den Bleistift wieder zur Hand. Offenbar hatte sie die Aussichtslosigkeit eines Kampfes gegen Becca erkannt. Im Handumdrehen löste sie die Aufgaben und legte den Stift beiseite. „So. Bist du jetzt zufrieden?“
Erwartungsgemäß waren alle Lösungen korrekt. „Siehst du? War doch gar nicht so schwer.“
Gabi wollte gerade etwas erwidern, als es an der Tür klingelte. Beide zuckten zusammen. Als sie den Hoffnungsschimmer in Gabis Augen bemerkte, brach Becca fast das Herz. Am liebsten hätte sie sie in die Arme genommen und ihr gesagt, dass Monica wahrscheinlich nie mehr zurückkommen würde.
„Ich gehe schon“, sagte das Mädchen schnell.
Gabi riss die Tür auf – und erschrak. Im Dämmerlicht des späten Winternachmittags wirkte Trace Bowman wie eine dunkle und gefährliche Erscheinung. Ihre Enttäuschung währte jedoch nur einen kurzen Moment. Dann trottete sie zurück ins Haus und überließ Becca das Reden.
„Officer Bowman“, murmelte sie schließlich. „Das ist … eine ziemliche Überraschung.“
Oder besser: eine ziemlich unangenehme Überraschung.
„Tut mir leid, dass ich Sie hier so überfalle, aber ich habe einen wichtigen Auftrag zu erfüllen.“
Sie warf Gabi einen Blick zu, die neugierig zu den beiden hinüberschaute.
Der Polizeichef hielt den Arm ausgestreckt. Er schien etwas in der Hand zu haben, aber von ihrem Standpunkt aus konnte sie nicht sehen, was es war.
„Was für einen Auftrag?“ Beccas Misstrauen war unüberhörbar.
„Nun ja, wie der Zufall so spielt. Meine Nichte Destry ist wohl in derselben Klasse wie Ihre Tochter.“
Vorsichtshalber warf sie Gabi einen warnenden Blick zu. Nicht, dass sich ihre Schwester noch verplapperte! Gleichzeitig wurde ihr bewusst, wie unhöflich es war, den Besucher auf der Veranda stehen zu lassen. Eigentlich hätte sie ihn hereinbitten müssen, aber sie
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