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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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und als er vorbei ist, müssen die Pioniere feststellen, dass ihre Kühe im Schnee begraben sind. Sie treiben Stangen hinein, um die toten Rinder zu finden. Aber sie sind einfach … verschwunden. Und immer weiter fällt der Schnee. Durch die Feuer in ihren Hütten bleibt im näheren Umkreis kein Schnee liegen, und bald müssen sie Stufen in die weißen Mauern graben, die sich sechs, sieben Meter hoch um sie herum auftürmen, bis von den Schuppen nur noch der Rauch zu sehen ist. Quälend langsam verstreicht die Zeit. Zwei Monate lang leben sie von Notrationen. Sie versuchen zu jagen, aber niemand weiß, wie man Wild erlegt außer …
    William Eddy. Obwohl er vom Hunger geschwächt ist, bricht er jeden Tag auf, um Kaninchen und einmal sogar einen Hirsch zu schießen. Davor wollten ihm die wohlhabenden Familien nichts von ihren Rindern geben, aber Eddy teilt seine magere Jagdbeute mit allen. Doch selbst diese Nahrungsquelle versiegt allmählich, da die Tiere mit der Schneegrenze abwärts wandern. Eines Tages stößt Eddy auf Spuren. Verzweifelt folgt er ihnen, bis er meilenweit vom Lager entfernt ist. Es ist ein Bär. Er holt ihn ein, hebt mit letzter Kraft sein Gewehr … schießt … und trifft! Doch der Bär dreht sich um und greift ihn an. Er kann nicht nachladen, und muss sich, entkräftet vom Hunger, mit dem Gewehrschaft gegen den Bären verteidigen. Schließlich gelingt es ihm, das verwundete Tier zu erschlagen.
    Er schleift den Bären zurück ins Lager, wo die Verzweiflung der Menschen wächst. Immer wieder mahnt William Eddy, dass sie jemanden losschicken müssen, um Hilfe zu holen. Doch niemand sonst ist stark genug für diese Aufgabe, und er will natürlich seine Familie nicht zurücklassen. Inzwischen gibt es auf dieser Höhe kein Wild mehr, unaufhörlich fällt Schnee, und eines Abends spricht Eddy schließlich mit seiner Frau, die zu Beginn des Films als stille Person gezeigt wird, die im Leben mehr gelitten als genossen hat. Nun holt sie tief Luft. »Will’m, du musst losziehen mit denen, die noch stark genug sind. Wir brauchen Hilfe.« Er protestiert, doch sie unterbricht ihn: »Für unsere Kinder. Bitte.« Was soll er tun?
    Muss er seine Liebsten tatsächlich zurücklassen, um sie zu retten?
    Mittlerweile haben die Pioniere all ihre Pferde und Maultiere und sogar ihre Haustiere gegessen. Sie machen Suppe aus Sätteln, aus Decken, aus Schuhleder, aus allem, was dem Schneewasser ein wenig Geschmack verleiht. William Eddys Familie hat nur noch einige wenige Streifen Bärenfleisch. Er hat keine andere Wahl, also sucht er nach Freiwilligen. Lediglich siebzehn Leute sind stark genug für dieses Wagnis: zwölf Männer und fünf junge Frauen. Aus Zügeln und Gurten bauen sie primitive Schneeschuhe und brechen auf. Schon bald kehren zwei junge Männer um, weil der Schnee zu tief ist. Trotz der Schneeschuhe sinken die anderen bei jedem Schritt sechzig Zentimeter ein.
    Unter größten Anstrengungen führt Eddy die Gruppe von fünfzehn Leuten zum Pass; sie brauchen zwei Tage dafür. Am ersten Abend greift Eddy im Lager in seinen Rucksack, und es ist wie ein Schlag in die Magengrube, als er merkt, dass ihm seine Frau das restliche Bärenfleisch eingepackt hat. Es sind bloß einige Bissen, doch ihre Selbstlosigkeit erschüttert ihn. Sie hat ihren Anteil für ihn geopfert. Er blickt zurück und erkennt schwache Rauchfäden über dem Lager am See.
    Muss er seine Liebsten tatsächlich zurücklassen, um sie zu retten?
    Sie ziehen weiter. Quälend langsam marschieren die fünfzehn über zerklüftete Gipfel und verschneite Täler. Blizzards rauben ihnen die Sicht und halten sie auf. Sie brauchen Tage, um wenige Tausend Meter zurückzulegen. Ohne Nahrung außer den wenigen Bissen Bärenfleisch von Eddy werden sie allmählich schwach. Einer der Männer, Foster, sagt, dass einer geopfert werden muss, damit die anderen zu essen haben, und das Los kommt zur Sprache. William Eddy meint, dass der Ausgeloste eine Chance bekommen muss. Sie sollen zwei Männer aussuchen, die auf Leben und Tod miteinander kämpfen. Er meldet sich freiwillig. Doch niemand will gegen ihn antreten. Eines Morgens sind ein alter Mann und ein Junge verhungert. Sie haben keine andere Wahl. Sie machen Feuer und essen das Fleisch ihrer Gefährten.
    Doch diesen Aspekt vertiefen wir nicht. Es ist einfach … wie es ist. Wenn die Leute von der Donner-Party hören, denken sie sofort an Kannibalismus, doch die Überlebenden haben fast einhellig erzählt, dass

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