Schöne Ruinen
überzeugend, dass Pasquale keinen Grund sah, daran zu zweifeln.
Und dann stürmte sie eines Tages in seine Wohnung und sagte ohne Einleitung: »Ich bin schwanger.« Schreckliche Stille trat ein, denn Pasquale verstand zuerst nicht richtig (Hat sie wirklich schwanger gesagt?) , dann konnte er es nicht glauben (Wir haben doch fast immer aufgepasst) , und zuletzt wartete er darauf, dass sie ihm – wie üblich – sagte, was zu tun war. Als er endlich etwas herausbrachte (Ich glaube, wir sollten heiraten) , war so viel Zeit verstrichen, dass ihn die stolze Amedea nur noch auslachen konnte.
Che stupido! Was für ein Dummkopf. Hatte er denn gar nichts gelernt? Glaubte er wirklich, dass sie ihm erlauben würde, sein Leben wegzuwerfen? Und selbst wenn er es ernst meinte – was ganz offensichtlich nicht der Fall war –, bildete er sich denn ein, dass sie einen armen Schlucker aus einem Fischerdorf heiraten würde? Und selbst wenn ihr Vater zustimmen würde – und das war ausgeschlossen –, dachte er tatsächlich, dass sie Lust hatte, so einen ziellosen, ungehobelten Jungen zum Mann zu nehmen, einen Jungen, den sie aus reiner Langeweile verführt hatte? Das Letzte, was die Welt brauchte, war ein weiterer schlechter Ehemann. Und so weiter und so fort, bis Pasquale nur noch murmeln konnte: »Du hast recht.« So hatte die Anziehung zwischen ihnen von Anfang an funktioniert: ihre sexuelle Erfahrenheit und seine kindliche Anpassungsfähigkeit. Sie hat recht, dachte er, ich kann kein Kind großziehen, ich bin selber noch ein Kind.
Jetzt, fast ein Jahr später auf der Piazza gegenüber ihrem Elternhaus, lächelte Amedea müde und griff wieder nach seiner Zigarette. »Ich hab vom Tod deines Vaters gehört. Mein Beileid. Wie geht’s deiner Mutter?«
»Nicht gut. Sie möchte sterben.«
Amedea nickte. »Witwe zu sein ist sicher was Schlimmes. Ich hab mir überlegt, ob ich mal deine Pensione besuchen soll. Wie läuft sie?«
»Gut. Ich mache gerade einen Strand. Und ich wollte auch einen Tennisplatz bauen, aber das passt vielleicht nicht.« Er räusperte sich. »Ich … ich habe einen amerikanischen Gast dort. Eine Schauspielerin.«
»Vom Film?«
»Ja. Sie ist in dem Film Cleopatra .«
»Aber nicht Liz Taylor?«
»Nein, eine andere.«
Sie schlug einen Ton an wie früher, als sie ihn im Umgang mit anderen Frauen beriet. »Und ist sie hübsch?«
Pasquale tat, als hätte er sich noch keine Gedanken darüber gemacht. »Nicht besonders.«
Amedea streckte die Hände vor, als hielte sie Melonen. »Aber große Brüste, oder? Riesenballone? Kürbisse?« Ihre Hände entfernten sich vom Körper. »Zeppeline?«
»Amedea«, sagte er schlicht.
Sie lachte. »Ich hab schon immer gewusst, dass du es weit bringst, Pasquale.« War das Spott in ihrer Stimme? Sie wollte ihm die Zigarette zurückgeben, aber er winkte ab und nahm sich eine neue heraus. Dann rauchten sie getrennt ihre Zigaretten, ohne zu reden, bis nur noch Asche zwischen Amedeas Fingern hing und es Zeit für sie wurde, wieder hineinzugehen. Pasquale antwortete, dass er sowieso seinen Zug erwischen müsse.
»Viel Glück mit deiner Schauspielerin.« Amedea lächelte, als wäre es ihr ernst damit. Dann huschte sie in ihrer geschmeidigen Art über die Straße und verschwand nach einem letzten flüchtigen Blick in seine Richtung. Pasquale spürte ein Kitzeln in der Kehle – den Drang, ihr etwas nachzubrüllen –, doch er hielt den Mund, weil er keine Ahnung hatte, was das für Worte sein sollten.
7
Menschenfleisch
1846
Truckee, Kalifornien
D a ist dieser Typ … ein Wagenbauer namens William Eddy, re chtschaffener Familienvater, gut aussehend, ehrlich, aber ungebildet. Wir sind im Jahr 1846, und William ist verheiratet, hat zwei kleine Kinder. Doch er ist bitterarm, und als sich die Gelegenheit bietet, nach Kalifornien zu ziehen, um sein Glück zu machen, packt Eddy sie beim Schopf. Es ist das prägende Ziel seiner Zeit, seiner Nation, nach Westen zu gehen. Also meldet sich Eddy zu einem Planwagenzug von Missouri nach Kalifornien. Im Vorspann bereiten sich William Eddy und seine hübsche junge Frau auf die Reise vor und packen die kargen Habseligkeiten aus ihrer Blockhütte zusammen.
Die Kamera fährt über eine Reihe von schwer beladenen Planwagen, die sich eine halbe Meile aus der Kleinstadt erstreckt. Sie werden von einer Rinderherde begleitet, Kinder und Hunde laufen mit. An der Spitze des Trecks sehen wir: KALIFORNIEN ODER TOD . Schwenk zur anderen Seite des
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