Schöne Ruinen
vordersten Wagens: DONNER-PARTY .
Die Trecks wurden immer nach den bekannteren Familien benannt, doch William Eddy ist der einzige brauchbare Westmann in diesem Zug, ein versierter Jäger und Fallensteller, bescheiden und bedürfnislos. Am ersten Abend sprechen die Männer aus den wohlhabenden Familien über die vor ihnen liegende Reise, und William tritt ans Feuer, um seiner Sorge Ausdruck zu verleihen: Sie sind spät aufgebrochen, und er ist nicht sicher, ob sie die richtige Route gewählt haben. Doch die Reicheren wollen nichts davon hören, und so stapft er einfach zurück zu seinem ärmlichen Wagen am Ende des Trecks.
Schon im ersten Akt werden die Pioniere mit einer Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert. Sofort stoßen sie auf schlechtes Wetter, und die ersten Wagenräder brechen. Es gibt einen Schurken in der Gruppe, den kräftigen deutschen Einwanderer Keseberg, der ein altes Paar dazu überredet hat, in seinem Wagen mitzureisen, doch als sie die Zivilisation hinter sich gelassen haben, stiehlt er den beiden alles und wirft sie hinaus, zwingt sie dazu, zu Fuß zu gehen. William Eddy ist der Einzige, der ihnen hilft und sie aufnimmt.
Nach der Hälfte der Strecke hat sich der Abstand zwischen den Wagen vergrößert, und der Treck erreicht mit mehreren Wochen Verspätung Utah. Nachts werden die Rinder der Gruppe von Indianern geraubt. William Eddy ist der beste Jäger, und er ist es, der unterwegs Wild erlegt. Aber sie werden weiter von Pech und schlimmem Wetter verfolgt und müssen für die schlecht gewählte Route mit dem völligen Zusammenbruch auf den großen Salzebenen bezahlen. Lange Kamerafahrt über den rissigen, harten Boden, die meilenweit verstreuten Planwagen, die verendenden Rinder, die durch die Wüste torkelnden Siedlerfamilien, die blind dahintrottenden Pferde. Der Zerfall der Gesellschaft ist zu ahnen, und alle beginnen zu verwildern, nur William Eddy nicht, der seine menschliche Würde bewahrt und den anderen hilft, wo er nur kann.
Schließlich schaffen sie es bis nach Nevada. Inzwischen ist es schon Oktober – noch nie hat eine Gruppe von Pionieren so spät noch den Marsch nach Kalifornien versucht. Die Schneefälle setzen meistens Mitte November ein, es bleiben ihnen also noch mehrere Wochen für die Überquerung der Sierra Nevada auf dem Wasatch-Pass, um an ihr Ziel zu gelangen. Doch sie müssen sich beeilen. Hoffend und betend marschieren und reiten sie die ganze Nacht.
Jetzt sind wir oben in den Wolken. Keine Schäfchenwolken, sondern dunkle, schwarze Formationen, die nichts Gutes verheißen. Diese Wolken sind unser weit aufgerissenes Haifischmaul. Die Nahaufnahme einer Schneeflocke. Wir folgen ihr vom Himmel nach unten und sehen, wie andere Flocken dazukommen. Groß, schwer. Die erste Schneeflocke fällt und fällt, bis sie schließlich auf dem Arm von William Eddy landet. Langsam wendet er das schmutzige, unrasierte Gesicht zum Himmel. Er weiß, was die Stunde geschlagen hat.
Sie sind zu spät dran. Der Winter ist einen Monat zu früh gekommen. Die Donner-Party befindet sich bereits in den Bergen und wird vom Schnee überrascht – aber er fällt nicht mehr in Flocken, sondern in Vorhängen, die jeden Schritt nach vorn zur Qual machen. Schließlich erreichen sie das Bergtal, und da liegt er direkt vor ihren Augen: der Pass, ein schmaler Spalt zwischen zwei Felswänden, zum Greifen nah. Doch der Schnee türmt sich bereits drei Meter hoch, und die Pferde sinken bis zur Brust ein. Die Wagen bleiben stecken. Auf der anderen Seite des Passes liegt Kalifornien. Wärme, Sicherheit. Zu spät. Der Schnee macht die Berge unpassierbar. Sie sitzen in einem Kessel zwischen zwei Höhenrücken fest. Sie können nicht vorwärts und nicht zurück. Auf beiden Seiten sind die Türen krachend zugefallen.
Die neunzig Menschen teilen sich auf. Eddys größere Gruppe ist kurz vor dem Pass an einem See, während die zweite Gruppe mit den Donners ein paar Meilen weiter hinten lagert. Beide beeilen sich, Unterkünfte zu bauen – drei windige Hütten am See, zwei hinten. Im vorderen Lager hat William Eddy eine Hütte für seine Frau, seinen Sohn und seine Tochter errichtet und gewährt dort auch anderen Unterschlupf. Diese Hütten sind kaum mehr als mit Tierhäuten bedeckte Baracken. Und immer noch fällt Schnee. Bald müssen sie erkennen, dass sie nicht genug Nahrung haben, um den Winter zu überstehen, und deshalb rationieren sie die noch verbliebenen Rinder. Dann fegt ein Blizzard über sie hinweg,
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