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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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»Gottverdammt, was muss man für ein hoffnungsloser Schweinehund sein, damit man einer Frau mit Schwangerschaftsübelkeit vorlügt, dass sie einen tödlichen Tumor hat? Diese Leute schrecken wirklich vor nichts zurück.«
    Völlig unvermittelt bremste er so heftig, dass die Reifen hüpften wie aufgescheuchte Hasen. Der Wagen schlitterte von der Straße und stoppte kreischend vor einem Laden in einem Vorort von Rom. »Hast du auch so großen Durst wie ich, alter Knabe?«
    »Ich habe Hunger«, bekannte Pasquale. »Habe nicht gegessen.«
    »Schön. Ausgezeichnet. Und du hast nicht zufällig ein bisschen Geld dabei? In dem Durcheinander vorhin hab ich nichts eingesteckt, sodass ich im Moment leider nicht flüssig bin.«
    Pasquale öffnete den Umschlag und reichte ihm einen Tausendlireschein. Richard Burton nahm das Geld und rannte in den Laden.
    Einige Minuten später kehrte er mit zwei offenen Flaschen Rotwein wieder. Eine davon gab er Pasquale, die andere stellte er zwischen die Beine. »Was soll das für ein Geschäft sein, das nicht mal eine Flasche Kognak hat? Müssen wir unseren Namen jetzt mit Traubenpisse schreiben? Ach ja, was macht man nicht alles in der Not.« Er nahm einen großen Schluck Wein und bemerkte, dass Pasquale ihn beobachtete. »Mein Vater hat zwölf Pints am Tag gebraucht. Als Waliser muss ich aufpassen, also trinke ich nur, wenn ich arbeite.« Er zwinkerte. »Und deswegen muss ich ständig arbeiten.«
    Vier Stunden später hatte der Mann, der Dee Moray geschwängert hatte, bis auf einen Fingerbreit beide Flaschen geleert und sich unterwegs noch eine dritte geholt. Pasquale war sprachlos, wie viel Wein der Schauspieler vertrug. In La Spezia parkte Richard Burton den Alfa Romeo in der Nähe des Hafens, und Pasquale fragte in einer Kneipe herum, bis sich ein Fischer bereit erklärte, sie für zweitausend Lire die Küste hinauf nach Porto Vergogna zu bringen. Kurz darauf stapfte der Fischer in einigem Abstand vor ihnen hinunter zu seinem Boot.
    »Ich bin auch in einem winzigen Nest geboren«, erzählte Richard Burton Pasquale, als sie sich auf der Holzbank im Heck des feuchten, zehn Meter langen Kahns niederließen. Der Abend war kalt und finster, und Richard Burton schlug den Kragen seines Jacketts hoch, um sich vor der steifen Seebrise zu schützen. Drei Stufen über ihnen stand der Kapitän am Steuer und lenkte das Boot aus dem Hafen. Die Schaumkronen der Wellen leckten den Bug hinauf, überschlugen sich und stürzten zurück. Die salzige Luft machte Pasquale noch hungriger.
    Der Kapitän, dessen Ohren rot in der Kälte glühten, schenk te ihnen keine Beachtung.
    Seufzend lehnte sich Richard Burton zurück. »Der Flecken, aus dem ich stamme, heißt Pontrhydyfen. Liegt in einer kleinen Schlucht zwischen zwei grünen Bergen und wird von einem kleinen Fluss durchschnitten, der klar wie Wodka ist. Kleines walisisches Bergbaudorf. Und weißt du, wie unser Fluss heißt?«
    Pasquale hatte keine Ahnung, wovon die Rede war.
    »Denk nach. Liegt auf der Hand.«
    Pasquale zuckte die Achseln.
    »Avon.« Er wartete auf Pasquales Reaktion. »Schöner Zufall, oder?«
    Pasquale stimmte zu.
    »Also gut … hat da gerade jemand Wodka gesagt? Stimmt, das war ich selbst.« Richard Burton seufzte müde. Dann rief er nach vorn zum Kapitän: »Ist wirklich nichts zu trinken an Bord? Wahrhaftig?« Der Fischer ignorierte ihn. »Der Mann riskiert eine offene Meuterei, findest du nicht, Pat?« Burton lehnte sich zurück und richtete den Kragen wieder gegen die kalte Luft aus, dann erzählte er weiter von dem Dorf, in dem er aufgewachsen war. »Es gab dreizehn von uns kleinen Jenkinses, allesamt Hosenscheißer, bis zu dem Knirps nach mir. Ich war zwei, als meine arme Ma den Geist aufgegeben hat. Wir haben sie ausgelutscht wie einen Ballon. Die letzte Milch hab ich gekriegt. Danach hat mich meine Schwester Cecilia aufgezogen. Der alte Jenkins war keine große Hilfe. Fünfzig, als ich geboren wurde, und schon bei Sonnenaufgang besoffen. Ich kannte ihn kaum, der Name war das Einzige, was er mir mitgegeben hat. Burton habe ich von einem Schauspiellehrer, auch wenn ich den Leuten erzähle, es kommt von Robert Burton. Anatomie der Melancholie. Nein? Macht nichts.« Er fuhr sich mit der Hand über die Brust. »Nein, das hab ich mir alles ausgedacht, diesen … Burton. Dickie Jenkins ist ein unbedeutender kleiner Hosenscheißer, aber dieser Richard Burton … der reißt Bäume aus.«
    Pasquale nickte schwer. Der wiegende Seegang und

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