Schöne Ruinen
Kinoschwachsinn. Zurück auf die Bühne wollte ich, meiner Bedeutung folgen, die Kunst zurückerobern – dieser ganze Mist. Dann ruft plötzlich mein Agent an und meint, Fox kauft mich aus Camelot raus und zahlt viermal so viel, damit ich mich mit Liz Taylor in einer Robe rumwälze. Das Vierfache! Trotzdem bin ich nicht gleich gesprungen. Wollte es mir noch überlegen. Zeig mir den Sterblichen, der da noch nachdenken muss. Aber ich hab’s getan. Und weißt du, was mir durch den Kopf gegangen ist?«
Pasquale konnte nur die Achseln zucken. Er kam sich vor, als würde ein Sturm über ihn hinwegfegen.
»Ich musste an Larry denken.« Richard Burton warf Pasquale einen Blick zu. »An Olivier und seine verfluchte Onkelstimme, mit der er mich immer belehrt hat.« Richard Burton streckte die Unterlippe vor und schlug einen näselnden Ton an: »›Dick, irgendwann wirst du dich natürlich entscheiden müssen, ob du in aller Munde oder ein SCHAU -spieler sein willst.‹« Er lachte. »Der schimmlige alte Schnauber. Nach der letzten Vorstellung von Camelot hab ich auf Larry und seine verdammte Bühne angestoßen. Hab gesagt, ich nehm das Geld, danke, und in einer Woche geht diese Liz Taylor mit ihrem rabenschwarzen Haar vor mir auf die Knie … oder vielmehr auf meine Knie.« Wieder lachte er bei der Erinnerung daran. »Olivier … Herrgott. Ist es denn letztlich so wichtig, ob der Sohn eines walisischen Bergarbeiters auf der Bühne spielt oder auf der Leinwand? Unsere Namen sind doch ohnehin in Wasser geschrieben, wie Keats gesagt hat, was soll das Ganze also? Schafsköpfe wie Olivier und Gielgud können sich ihren Ehrenkodex in den Arsch schieben, haut ab, ihr alten Knacker, die Welt muss sich weiterdrehen! « Der Wind im offenen Cabrio peitschte Richard Burton die Haare ins Gesicht, als er über die Schulter blickte. »Ich also ab nach Rom, wo ich Liz kennenlerne, und eins kann ich dir verraten, Pat, so eine Frau ist mir noch nie untergekommen. Ich meine, ich bin kein Heiliger, aber die? Herr im Himmel. Weißt du, was ich bei unserer ersten Begegnung zu ihr gesagt habe?« Er wartete nicht auf Pasquales Antwort. »›Keine Ahnung, ob dir das schon mal jemand gesagt hat … aber du siehst wirklich nicht schlecht aus.‹«
Er lächelte. »Und wenn sie dich mit diesen Augen anschaut – mein Gott, da bleibt die Welt stehen. Ich wusste, dass sie verheiratet ist, und vor allem, dass sie eine verdammte Seelenfresserin ist, aber man ist ja schließlich nicht aus Holz. Natürlich würde sich jeder rechtschaffene Wicht dafür entscheiden, ein großer Schauspieler zu sein statt in aller Munde, wenn dabei dasselbe rausspringt, aber so läuft das eben nicht. Weil die nämlich dieses ganze Scheißgeld in die Waagschale schmeißen und diese Titten und diese Taille und … Herrgott … diese Augen. Und dann neigt sich das Ding auf einmal, alter Knabe, bis es ganz nach unten fällt. Nein, nein, wir sind eindeutig in Wasser geschrieben. Oder in Kognak – mit ein bisschen Glück.«
Er zwinkerte, und Pasquale hielt sich am Armaturenbrett fest, als das Auto ins Schlingern geriet. »Na, das ist doch mal eine gute Idee, was? Kognak! Halt die Augen offen, alter Knabe!« Nach einem tiefen Atemzug nahm er den Faden seiner Geschichte wieder auf. »Natürlich werden Liz und ich von den Zeitungen erwischt, und ihr Mann kommt in die Stadt. Ich hab geschmollt, vier Tage war ich eingeschnappt, und irgendwie bin ich in dieser Zeit besoffen und belämmert zurück zu Dee, um bei ihr Trost zu finden. So alle zwei Wochen hab ich an ihre Tür geklopft.« Er schüttelte den Kopf. »Sie ist was Besonderes – so intelligent. Für eine attraktive Frau ist es eine Bürde, wenn sie die Welt durchschaut. Bestimmt würde sie Larry zustimmen, dass ich mit solchen Schundfilmen mein Talent vergeude. Und mir war klar, dass ich besser die Finger von Dee gelassen hätte. Wahrscheinlich hätte ich besser die Finger von ihr gelassen, aber … letztlich können wir alle nicht aus unserer Haut, nicht wahr?« Mit der linken Hand klopfte er sich auf die Brust. »Du hast nicht zufällig eine Kippe für mich?«
Pasquale kramte eine Zigarette heraus und zündete sie ihm an. Richard Burton nahm einen tiefen Zug, und der Rauch kringelte sich aus seiner Nase. »Dieser Crane, der Dee die Diagnose gestellt hat – Liz’ Pillendreher, der Mann klappert beim Gehen. Er und Deane haben sich diesen Quatsch mit dem Krebs ausgedacht, um Dee loszuwerden.« Er schüttelte den Kopf.
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