Schöne Ruinen
Burtons endloses, betrunkenes Gerede machten ihn unglaublich müde.
»Die Jenkins-Jungs haben alle im Kohlebergbau gearbeitet, bloß ich nicht, und ich bin auch nur durch Glück und Hitler davongekommen. Die Royal Air Force war mein Ausweg, und obwohl ich letztlich zu blind zum Fliegen war, hat es mich nach Oxford gebracht. Weißt du, wie sie zu einem Jungen aus meinem Dorf sagen, wenn sie ihn in Oxford sehen?«
Ermattet von dem ununterbrochenen Geschwafel, zuckte Pasquale die Schultern.
»Sie sagen: ›Hecken kannst du auch bei uns zu Hause schneiden!‹« Als Pasquale nicht lachte, beugte sich Richard Burton vor. »Was ich meine, ist … ich möchte mich hier nicht wichtigmachen, aber damit du es weißt, ich war nicht immer … so.« Er suchte nach dem richtigen Wort. »Nein, ich kenne das Leben in der Provinz. Ach, ich hab viel vergessen, das geb ich zu, bin ein bisschen verweichlicht. Aber das hab ich nicht vergessen.«
Pasquale war noch nie jemandem begegnet, der so viel redete wie dieser Richard Burton. Wenn er etwas auf Englisch nicht verstand, hatte er sich angewöhnt, das Thema zu wechseln. Das probierte er auch jetzt, teils, um einfach seine eigene Stimme wieder zu hören. »Spielst du Tennis, Richard Burton?«
»Hab eher Rugby gelernt … Mag das Getümmel. Nach Oxford hätte ich fast in einem Club angefangen, als Flügelstürmer, wenn es für einen Mann der darstellenden Kunst nicht so leicht wäre, junge Frauen ins Bett zu kriegen.« Er starrte ins Leere. »Mein Bruder Ifor war ein feiner Rugbyspieler. Ich wäre genauso gut geworden, wenn ich dabei geblieben wäre, allerdings hätte ich mich dann auf die vollbusigen Hockeyspielerinnen beschränken müssen. Aus meiner Sicht haben die Bühnenhelden die größere Auswahl.« Dann wandte er sich erneut an den Fischer. »Und Sie sind sicher, dass Sie kein Schlückchen an Bord haben, Captain? Kein Kognak?« Als er keine Antwort erhielt, sank er wieder zurück. »Soll er doch absaufen mit seinem Kübel.«
Endlich umrundeten sie den Wellenbrecher, und der eisige Wind ließ nach, als das Boot in Porto Vergogna einlief. Sie polterten gegen das Holzende des Piers, und Meerwasser schwappte über die durchweichten, durchhängenden Planken. Im Mondschein spähte Richard Burton hinauf zu den ungefähr zehn Steinhäusern, von denen zwei mit Laternen beleuchtet waren. »Liegt der Rest des Dorfs hinter dem Hügel?«
Pasquale warf einen Blick zum obersten Stockwerk seines Hotels. Dee Morays Fenster war dunkel. »Nein. Ist allein Porto Vergogna.«
Richard Burton schüttelte den Kopf. »Natürlich. Mein Gott, das ist ja nur ein Spalt in den Klippen. Und kein Telefon?«
»Nein.« Pasquale war verlegen. »Nächstes Jahr kommt vielleicht.«
»Dieser Deane ist komplett verrückt.« Ein Hauch von Bewunderung schien sich in Richard Burtons Stimme zu schleichen. »Ich verdresche den kleinen Scheißer, bis ihm das Blut aus den Nippeln spritzt. Saukerl.« Er trat auf den Pier.
Pasquale bezahlte den Fischer aus La Spezia, der wortlos kehrtmachte und wieder davontuckerte. Pasquale strebte zum Ufer.
Oben auf der Piazza standen die Fischer trinkend zusammen, als würden sie gespannt auf etwas warten. Sie schwirrten herum wie aus ihrem Stock gescheuchte Bienen. Nun schoben sie Tomasso den Kommunisten nach vorn, und er kletterte über die Stufen zum Meer hinunter. Obwohl Pasquale jetzt wusste, dass Dee Moray doch nicht todkrank war, stieg die dunkle Ahnung in ihm auf, dass ihr etwas Schreckliches zugestoßen war.
»Gualfredo und Pelle sind am Nachmittag mit dem langen Boot gekommen«, erklärte Tomasso, als er zu ihnen stieß. »Sie haben deine Amerikanerin mitgenommen, Pasquale! Ich hab versucht, sie aufzuhalten. Deine Tante Valeria auch. Sie hat gesagt, die Frau muss sterben, wenn sie sie wegbringen. Die Amerikanerin wollte zuerst nicht mit, aber dieses Schwein Gualfredo hat ihr erzählt, dass sie nach Portovenere muss … dass ein Mann gekommen ist, der nach ihr gefragt hat. Dann ist sie gefahren.«
Da sie italienisch sprachen, hatte Richard Burton nichts mitbekommen. Er klappte seinen Jackettkragen nach unten und strich seine Kleider glatt. Nach einem Blick zu den weiß gestrichenen Häusern wandte er sich an Tomasso. »Sie sind nicht zufällig Barkeeper, mein Bester? Ich könnte einen Schluck vertragen, bevor ich der Ärmsten erzähle, dass sie befruchtet worden ist.«
Schnell übersetzte Pasquale, was Tomasso berichtet hatte. »Ein Mann von anderem Hotel kommt und
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