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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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bringt weg Dee Moray.«
    »Wohin hat er sie gebracht?«
    Pasquale deutete die Küste entlang. »Portovenere. Er sagt, sie soll dort sein, mein Hotel kann nicht gut sorgen für Amerikaner.«
    »Das ist Piraterie! So was können wir nicht einfach hinnehmen!«
    Sie stiegen hinauf zur Piazza, und die Fischer teilten den Rest ihres Grappas mit Richard Burton und beratschlagten über das weitere Vorgehen. Einige fanden es das Beste, bis zum Morgen zu warten, doch Pasquale und Richard Burton waren der Meinung, Dee Moray sollte sofort erfahren, dass sie keinen tödlichen Tumor hatte. Noch heute Nacht wollten sie nach Portovenere fahren. Aufgeregt versammelten sich die Männer unten am kalten, vom Meer umspülten Ufer. Tomasso der Ältere schlug vor, Gualfredo die Kehle durchzuschneiden; Richard Burton fragte auf Englisch, ob jemand wisse, wie lang die Bars in Portovenere geöffnet hätten; Lugo der Kriegsheld lief nach Hause, um seinen Karabiner zu holen; Tomasso der Kommunist hob die Hand zu einer Art Gruß und meldete sich freiwillig, um sein Boot zum Angriff auf Gualfredos Hotel zu lenken. Ungefähr in diesem Moment dämmerte Pasquale, dass er der einzige nüchterne Mann in Porto Vergogna war.
    Er ging ins Hotel, um seiner Mutter und seiner Tante von der bevorstehenden Fahrt nach Portovenere zu berichten und um eine Flasche Portwein für Richard Burton zu holen. Valeria beobachtete die Ereignisse vom Fenster aus und schilderte alles Pasquales Mutter, die im Bett saß, als Pasquale den Kopf durch die Tür steckte.
    »Ich habe versucht, sie aufzuhalten«, schimpfte Valeria. Mit grimmiger Miene reichte sie Pasquale einen Zettel.
    »Das hab ich schon gehört.« Pasquale las die Nachricht. Sie stammte von Dee Moray. »Pasquale, es sind zwei Männer gekommen, um mir mitzuteilen, dass mein Freund in Portovenere auf mich wartet und dass ich aus Versehen hierhergebracht wurde. Ich verspreche Dir, dass Du für Deine Unannehmlichkeiten bezahlt wirst. Danke für alles. Deine Dee.« Pasquale seufzte. Deine.
    »Sei vorsichtig«, mahnte seine Mutter vom Bett aus. »Gualfredo ist ein harter Kerl.«
    Er steckte den Zettel in die Tasche. »Ich mach das schon, Mamma.«
    »Ja, das glaub ich dir, Pasqua. Du bist ein guter Mann.«
    Solche offenen Liebesbekundungen kannte Pasquale nicht von seiner Mutter, vor allem, wenn sie Trübsal blies. Vielleicht hellte sich ihre Stimmung gerade auf. Er trat ins Zim mer und beugte sich vor, um sie zu küssen. Sie verströmte einen schalen Geruch wie meistens, wenn sie ans Bett gefesselt war. Doch ehe er sie küssen konnte, streckte sie die Hand wie eine Kralle nach ihm aus und packte ihn am Arm, so fest sie konnte.
    Pasquale merkte, wie sie zitterte. »Mamma, ich komme doch gleich wieder.«
    Hilfe suchend schaute er nach hinten zu seiner Tante, die aber nicht aufblickte. Und seine Mutter wollte seinen Arm nicht loslassen.
    »Schon gut, Mamma.«
    »Ich hab Valeria gleich gesagt, dass so eine große Amerikanerin niemals hierbleibt. Ich hab gesagt, dass sie abreist.«
    »Mamma, was redest du denn da?«
    Sie lehnte sich zurück und löste den Griff um seinen Arm. »Hol diese Amerikanerin zurück und heirate sie, Pasquale. Du hast meinen Segen.«
    Lachend küsste er sie erneut. »Ich werde sie suchen, aber ich liebe dich, Mamma. Nur dich. Für mich gibt es niemanden sonst.«
    Draußen fand Pasquale Richard Burton und die Fischer, die immer noch auf der Piazza tranken. Verlegen bekannte Lugo, dass er ihnen den Karabiner doch nicht borgen konnte, weil seine Frau ihn benutzte, um Tomatenpflanzen in ihrem Garten am Hang zu stützen.
    Als sie hinunter zum Ufer strebten, stieß Richard Burton Pasquale an und deutete auf das Schild mit der Aufschrift HOTEL ZUR AUSREICHENDEN AUSSICHT . »Ist das deins?«
    Pasquale nickte. »Ja, von meinem Vater.«
    Richard Burton gähnte. »Verdammt brillant.« Dann nahm er freudig die Flasche Portwein entgegen. »Ich sag dir was, Pat, das ist wirklich ein seltsamer Anblick.«
    Die Fischer halfen Tomasso dem Kommunisten dabei, seine Netze und Ausrüstung und eine schlafende Katze auf der Piazza abzuladen, und fuhren seinen Außenbordmotor mit einem Handkarren zum Wasser. Pasquale und Richard Burton kletterten ins Boot. Die Fischer blieben auf dem Rest von Pasquales Strand stehen, um alles zu beobachten. Beim ersten Riss am Seilzugstarter schlug Tomasso Richard Burton die Flasche Portwein aus der Hand, doch zum Glück landete sie auf Pasquales Schoß, ohne dass viel verschüttet wurde.

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