Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Es roch köstlich, so frisch, dass ihr das Wasser im Maul zusammenlief, und doch lag hinter diesem Duft ein anderer, schärferer Geruch, der sie irritierte.
Erschreckt zuckte sie herum, als sie ein Grunzen hinter sich vernahm. Brunst schob sich durch den Durchgang und gähnte laut. So früh stand er normalerweise nicht auf, doch kaum hatte er seinen Rüssel in den Wind gestreckt, kam er auch schon angetrabt.
»Wusste doch, dass ich etwas gerochen habe«, grunzte er voller Vorfreude und wollte sich sofort über das Brot hermachen.
»Halt!«, rief Kim ihm zu. »Ich würde das nicht fressen.«
»Wieso nicht?«, fragte Brunst entrüstet. Seine Kiefer begannen bereits zu mahlen, und seine Augen waren gierig auf das Brot gerichtet.
»Ich glaube, etwas stimmt mit dem Brot nicht«, erwiderte sie zaghaft. »Lass uns auf Deng warten. Er wird wissen, ob mit dem Futter alles in Ordnung ist.«
»Kommt gar nicht in Frage!« Brunst schmatzte laut. »So ein wundervolles Fressen kriegt man nicht alle Tage.«
»Kim hat recht!«, rief eine Stimme vom Durchgang. Che hatte sich dort aufgebaut. »Den Menschen ist nicht zu trauen. Vielleicht beginnt ihr Angriff damit, dass sie uns in eine Falle locken wollen – mit frischem Brot.«
Brunst warf erst Che, dann Kim einen wütenden Blick zu. »Ihr spinnt ja!«, knurrte er, machte sich aber zu Kims Verwunderung auf die andere Seite der Wiese davon, ohne das Brot anzurühren.
Che grinste, während er sich näherte. »Das ist die Probe aufs Exempel. Wir erklären das Brot für ungenießbar – so können wir sehen, ob wir uns auf unsere Truppe verlassen können.«
Kim schüttelte den Kopf, ohne etwas zu entgegnen. Also schien Che ebenfalls keine Gefahr in dem Brot zu sehen; er wollte lediglich seine Macht unter Beweis stellen.
Nacheinander kamen nun auch Doktor Pik und Cecile auf die Wiese, doch beide wirkten nicht, als würde sie das köstliche Brot interessieren. Che postierte sich weiter neben den Zinkwannen, um es zu bewachen.
Vielleicht sollte einer von uns vorsichtig ein kleines Stück fressen, dachte Kim. Ihr strömte der Duft weiter verführerisch in den Rüssel. Dann könnten wir sehen, ob es in Ordnung ist.
Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, trat ausgerechnet der blonde James aus dem Haus, neben ihm Dörthe und Sabeth; alle drei waren ganz in Schwarz gekleidet. Sabeth rauchte, und James hatte einen goldenen, seltsam geformten Gegenstand in der Hand, den er sich an den Mund hielt. Einen Moment später schwebten tiefe, traurige Töne über den Hof. Kim erschrak und verharrte. So etwas hatte sie noch nie gehört. Auch die anderen Schweine erstarrten, selbst Brunst hielt in seiner Futtersuche inne. James bewegte sich schwankend auf und ab, während er weiter Töne von sich gab. Es war, als wäre seine Musik ein trauriger Wind, der über sie hinwegglitt und sie gleichzeitig einhüllte. Sabeth warf ihre Zigarette auf die Wiese und begann zu weinen; genauso wie Dörthe, die sich unaufhörlich die Augen rieb.
Nachdem James schließlich aufgehört hatte, in das Ding zu blasen, stand für einen Moment noch alles still. Nichts und niemand regte sich. Erst ein lautes Grunzen von Brunst durchbrach die Stille, und Dörthe sagte: »James, das war wunderschön. Wenn du gleich bei Jans Beerdigung auch so spielst, werden alle in Tränen ertrinken.«
James nickte nur, während er das goldene Ding in einen Kasten verpackte. Sabeth stützte sich auf Dörthe und hakte sich bei ihr ein.
»Ich weiß nicht, ob ich das alles aushalte«, schluchzte sie und verbarg ihr Gesicht an Dörthes Schulter.
Trauer schnürte Kim die Kehle zu. Sie beobachtete, wie die drei Menschen schweigend den Hof verließen und nebeneinander die Straße entlangschritten. Unwillkürlich folgte sie ihnen, trabte zum Durchschlupf und zwängte sich hindurch. Sie wusste, wohin die Menschen wollten, aber das war es nicht, was ihr im Kopf herumging. Diese Musik … sie wollte diese wunderbar traurige Musik noch einmal hören. Das köstliche Brot, den verschwundenen Deng, selbst Lunke – alles hatte sie darüber vergessen.
Kim schaffte es, Dörthe und den beiden anderen zu folgen, ohne dass man sie bemerkte. Den Weg zum Friedhof kannte sie bereits; mit Lunke war sie häufiger dort gewesen, um Blumenzwiebeln auszugraben, von denen er nie genug kriegen konnte.
Kaum hatte sie den Waldrand erreicht, sprang der wilde Schwarze ihr vor die Füße.
»Hallo, Babe!« Er lächelte sie an, doch sie beachtete ihn gar nicht.
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