Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
abhauen? Wenn ich nicht sofort etwas fresse, falle ich tot um.« Seit er Che wiedergefunden hatte, war er wieder ganz der Alte.
»Wollen uns die Menschen doch nichts tun?«, fragte Cecile arglos.
»Still!«, zischte Kim. Ihr stockte der Atem. Als hätte er Witterung aufgenommen und sie gerochen, hatte Kaltmann seinen Kopf gehoben und blickte zu ihnen herüber. Dann hob er eine Hand und rief: »Alarm! Wildschweine – mitten in unserem Dorf!«
»Weg!«, schrie Kim einen Moment später. »Nichts wie weg!«
Sie rannten so schnell sie konnten – die Straße hinauf, an erstaunten Menschen vorbei, die aus ihren Häusern traten. Kim übernahm die Führung. Sie bekam kaum Luft, so sehr strengte sie sich an. Cecile quiekte die ganze Zeit, und Brunst und Doktor Pik schnauften, als hätte ihr letztes Stündlein geschlagen.
Kim hatte keine Ahnung, wohin sie lief. Ein Auto kam ihnen entgegen und hätte sie fast überfahren; im letzten Moment wich der Fahrer aus, indem er wie wild an seinem Lenkrad drehte. Kim sah sein entsetztes Gesicht, dann hörte sie hinter sich ein lautes Knirschen. Metall auf Metall. Offenbar hatte der Wagen einen anderen gerammt, doch Kim hatte nicht die Zeit, sich umzudrehen. Ihre Beine flogen förmlich durch die Luft. Rannte Kaltmann ihnen nach? Hatten andere Menschen die Verfolgung aufgenommen? Sie wusste es nicht.
Als sie die Laternen am Straßenrand hinter sich gelassen hatte, wurde sie langsamer. Cecile war trotz ihrer kurzen Beine noch hinter ihr, Brunst und Doktor Pik dagegen hatten nicht folgen können. Wie zwei unförmige schwarze Schatten trotteten sie die Straße hinauf. Offenbar wurden sie nicht mehr gejagt.
Auf einem schmalen Weg, der in einen Wald führte, brach Kim förmlich zusammen. Ihre Beine gaben unter ihr nach, und sie war sicher, in diesem Leben keinen Schritt mehr tun zu können. Cecile warf sich neben sie; das Minischwein hechelte und verdrehte vor Erschöpfung die Augen.
Schließlich kamen auch Brunst und Doktor Pik. Der alte Eber keuchte und würgte, dann kroch er ins Unterholz, als fürchtete er, jemand könnte beobachten, wie er seinen letzten Atemzug tat.
Kim spürte einen Stich in ihrem Herzen, doch sie war zu kraftlos, um aufzustehen und sich um Doktor Pik zu kümmern.
»Was für eine Jagd!«, grunzte Brunst. Er war der Einzige, der nicht sogleich zu Boden sank, sondern seine Schnauze vorstreckte und den erstbesten Farn in sich hineinschlang. Kim zog sich der Magen zusammen, als sie sah, mit welcher Gier er fraß. Es ist alles deine Schuld, wollte sie sagen. Wärest du nicht auf die Idee gekommen, nach Che zu suchen, wäre das alles nicht passiert. Vor Schwäche brachte sie jedoch keinen Laut heraus. Stattdessen schloss sie die Augen und gab sich ganz ihrer Erschöpfung hin.
Plötzlich stand ihre Mutter Paula vor ihr. Sie runzelte missmutig den Rüssel. »Warum suchst du nur immer Ärger?«, sagte sie mit strenger Stimme. »Wärest du auf der Wiese geblieben, hätte dir nichts passieren können …«
»Aber ich musste doch etwas tun«, versuchte Kim sich zu verteidigen. »Jan und Deng sind tot, und …«
»Doktor Pik stirbt wahrscheinlich«, fiel Paula ihr barsch ins Wort. »Ist das nicht viel schlimmer?«
Ja, wollte Kim sagen, ich weiß, aber es ist nicht meine Schuld, doch sie war zu erschöpft, um noch etwas zu erwidern. Im nächsten Moment löste sich ihre fette Mutter in einer schwarzen Wolke auf. Trotz ihrer Schwäche versuchte Kim die Augen zu öffnen und zu lauschen. Atmete Doktor Pik noch? Sie meinte, ein leises gequältes Grunzen zu vernehmen, aber irgendwie schien es sich zu entfernen.
»Brunst«, murmelte sie vor sich hin, »kannst du auf Doktor Pik aufpassen?«
Ob er etwas erwiderte, hörte sie nicht mehr. Dann jedoch sagte eine dunkle Stimme: »Tagchen, was macht ihr zwei Hübschen denn hier? Schiebt ihr in meinem Wald eine Nummer?«
Mühsam öffnete Kim die Augen. Kannte sie diese Stimme nicht? Zuerst sah sie Brunst, der sich heftig atmend an sie geschmiegt hatte, dann bemerkte sie den Schatten, der auf sie fiel: ein wilder Schwarzer, der sie angrinste, wie sie im silbernen Mondlicht registrierte.
»Lunke, was soll das?«, entgegnete sie, während sie sich auf die Beine plagte. »Du kennst Brunst doch.«
»Brunst? Was für ein hässlicher Name!«, erwiderte ihr Gegenüber.
Kim zuckte zusammen. Der wilde Schwarze war gar nicht Lunke; er war größer, kräftiger, aber sein Grinsen war genauso unverschämt.
»Wer bist du?«, fragte Kim und
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