Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Himmel: »Heute, bei Einbruch der Dunkelheit habe ich eine Verkündigung zu machen – ich habe den Tod gesehen, und der heilige Sus Scrofa hat zu mir gesprochen!«
Kaum dass Max mit seinem Jeep und Anhänger weggefahren war, brach auf dem Hof hektisches Treiben aus. Zwei Männer setzten im Atelier eine neue Glasscheibe ein, und andere hantierten mit Lampen herum, die sie an der Zufahrt anbringen wollten. Kim interessierte sich allerdings kaum für diese menschliche Betriebsamkeit. Satt und vollgetrunken legte sie sich unter ihren Apfelbaum, um ein wenig Schlaf nachzuholen. Doch selbst im Halbschlummer beschäftigte sie die Frage, ob der blonde James wirklich der Mörder sein konnte. Hatte er Deng nicht immer freundlich behandelt? Ja, außer Sabeth war jeder freundlich zu dem kleinen Chinesen gewesen, selbst wenn man sich dafür irgendwelche klugen Sprüche hatte anhören müssen.
Als es zu dämmern begann und die Arbeiter abgezogen waren, trabte Doktor Pik zu ihr herüber.
»Gleich ist es so weit«, sagte er. »Che will seine Rede halten. Ich glaube, ihm ist der Ausflug zum Tierarzt nicht gut bekommen.« Der alte Eber lächelte spöttisch, was er selten tat. »Bin gespannt, welche Ideen er uns diesmal vortragen will.«
Kim plagte sich auf die Beine. Jenseits der Wiese meinte sie Lunke gesehen zu haben – oder vielleicht war es auch Rocky gewesen. Insgeheim musste sie sich eingestehen, dass sie das eine oder andere Mal an den mächtigen Keiler gedacht hatte. Ob Lunke und Rocky sich noch geprügelt hatten, nachdem die Sirene losgeheult hatte? Nein, Lunke hatte sie bis zur Wiese begleitet, und bestimmt war er nicht durch den halben Wald gelaufen, um sich eine Abreibung zu holen.
Che postierte sich mitten auf der Wiese. Den ganzen Rest des Tages hatte er mit niemandem mehr gesprochen, sondern hatte durch alle hindurchgesehen, als wären sie gar nicht da. Er räusperte sich und begann bedächtig und mit getragener Stimme: »Ich habe den Tod gesehen. Wie ein Strudel war es, ein Strudel aus Licht und Dunkelheit, in den ich gesogen wurde.« Er hielt inne, um den eigenen Worten nachzulauschen.
»War das so, als hätte man Kopfschmerzen von zu viel Sonne?«, quiekte Cecile, doch Che antwortete nicht, sondern blickte sie mit finsterer Miene an.
»Ich wurde von dem Licht angesogen, in einen Tunnel hinein. Ich war machtlos dagegen. Der Sog war so stark, dass es war, als würde ich fliegen. Dann verschwand die Dunkelheit allmählich. Immer heller und gleißender wurde das Licht. Ein Tunnel aus Licht, durch den ich flog.«
Er machte eine Pause und warf einen Blick zum Himmel, als würde da jemand mithören.
Kim fiel ein, dass sie sich, als sie glaubte, er wäre tot, auch einmal kurz an einen Che im Himmel gewandt hatte. Zum Glück hatte es niemand mitbekommen.
»Das Licht wurde so grell, dass ich am liebsten die Augen geschlossen hätte, doch ich wusste, ich durfte es nicht. Ich musste erschauen, was sich meinen Augen darbot.« Wieder verstummte er.
Doktor Pik schnaufte und legte seinen Rüssel in Falten, und Brunst, der lange stillgehalten hatte, begann unruhig in der Erde zu scharren.
»Am Ende des Lichts erblickte ich ihn«, fuhr Che nun eindringlicher und leiser fort. »Der göttliche Sus Scrofa, unser aller Urvater, stand da und sah mich an.«
»Susi Strof?«, fragte Cecile, an Kim gerichtet, da sie sich von Che keine Antwort mehr erhoffte. »Wer soll das sein?«
»Sus Scrofa ist das größte und mächtigste Schwein, das ich jemals gesehen habe«, hob Che erneut an. »Seine Augen lodern wie Feuer, sein wunderschöner Rüssel glänzt im Licht, und sein ganzer Leib schimmert so rosig wie der Himmel an einem frühen Sommermorgen. Er betrachtete mich voller Mitgefühl und sprach: ›Sein oder Schwein sein – Che, deine Stunde ist noch nicht gekommen. Du musst zurück, weil du deine Aufgabe noch nicht erledigt hast. Das Feuer der Revolution muss entfacht werden …‹«
Kim und Doktor Pik stießen beinahe gleichzeitig die Luft aus und verdrehten die Augen. Che hatte nichts dazugelernt – nur trug er seine Botschaft noch dramatischer und bedeutsamer vor. Brunst und Cecile hingegen lauschten hingebungsvoll.
»›Du, Che, musst die Fackel der Revolution gemeinsam mit den Deinen entzünden und weitertragen. Hier ist mein göttlicher Rat: Baut bei Mondlicht eine Himmelsleiter, und ich will euch sagen, wie die Revolution zu euch kommt und ihr erlöst werdet.‹«
Che verstummte und senkte den Kopf, als wäre er
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