Schoener Schlaf
mir noch ein Bier«, sagte Kant und gab der Bedienung ein Zeichen. »Und dann erzähle ich dir alles.«
*
Am Abend nahm Hans Sommerberg sein Bild wie üblich wieder mit nach Hause. Er befand sich in einem Zustand glücklicher Spannung, brannte darauf, Meyers neueste Fortschritte in Ruhe zu begutachten.
Er holte eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank, es war ein Rivaner, der so leicht war, dass er seinem Herzen keinen Schaden zufügen würde. Sommerberg entkorkte die Flasche, schenkte ein Glas ein, enthüllte das Bild, lehnte es an die Küchenwand und prostete dem Vermeer-Mädchen zu.
Ich sollte das Bild einfach behalten, dachte er. Doch dann fiel ihm ein, dass das nur ein schöner Traum war. Ein millionenschweres Gemälde in einer kleinen Wohnung, nur bewacht von einem alten kranken Mann, würde jeden Dieb der Welt anlocken. Ein Verkauf war unvermeidlich, zumal er das Geld brauchte.
Jetzt stieg ihm der Wein doch ein wenig in den Kopf und er wurde müde. Nach und nach leerte er die Flasche. Das letzte Glas fiel prompt um und die Flüssigkeit ergoss sich auf den Tisch. Sommerberg fluchte, aber das Bild hatte nichts abbekommen.
Ein langes, heftiges Klingeln ertönte. Sommerberg stellte mit einem Blick zur Küchenuhr fest, dass es schon fast Mitternacht war. Sollte er zur Tür gehen oder den Ton einfach ignorieren?
Er schlich zum Wohnungseingang und sah durch den Spion. Im Hausflur war es dunkel und niemand zu sehen.
Vielleicht ein Versehen, dachte Sommerberg, oder jemand, der sich einen Scherz erlaubt. Ein Kind aus dem Haus. Klingelmännchen hatte er als Kind auch gespielt. Allerdings nicht nachts.
Am besten tat er so, als sei er nicht zu Hause oder schliefe schon. Dann fiel ihm ein, dass in der Küche noch Licht brannte, das von der StraÃe aus zu sehen war.
Er legte sein Ohr an die Tür und hörte Schritte, die sich entfernten.
Nun war wieder alles still. Erleichtert atmete er auf. Vielleicht hatte sich nur jemand in der Tür geirrt und den Irrtum bemerkt.
Er atmete kurz. Die Aufregung tat seinem Herzen nicht gut. Es schlug laut und seine Brust schmerzte.
Sommerberg ging in die Küche zurück und versuchte, sich zu entspannen. Er drehte die Lampe vom Bild weg, zu viel konnte den Farben schaden, hatte Meyer gesagt. Das Gesicht des Mädchens leuchtete weiter, es schien die Helligkeit aufgesaugt zu haben und widerzuspiegeln.
Ein neues Geräusch lieà ihn hochschrecken. Da war jemand im Flur! Er hörte deutliche Schritte.
Sommerberg schloss die Küchentür von innen ab, setzte sich schwer atmend auf den Stuhl zurück. Er wollte aufstehen, zum Fenster gehen, es öffnen und laut um Hilfe schreien. Unmöglich. Er bekam kaum noch Luft. Der Schmerz wurde übermächtig. Anna, dachte er. Anna.
Kapitel 28
»Ich brauche einen Kaffee«, sagte Kant und warf die Zeitung auf den Tisch. »Und dann einen Termin beim Oberstaatsanwalt. Ich muss was abklären.«
»Ich hole dir den Kaffee«, bot sich Heidi Busch an und verlieà das Zimmer.
»Kemper hat seinerseits nach dir gefragt«, erklärte Dirk Weingarten. »Immer, wenn in der Presse was erscheint, wachen die Herren da oben auf. Was willst du denn von ihm, Chef?«
Heidi Busch stellte eine Tasse vor Kant auf den Tisch und setzte sich.
»Wir müssen Fabry provozieren.«
»Und wie?«, fragte Akif Neumann. »Der Kerl ist abgebrüht und clever.«
»Er hat seine sensiblen Momente«, erinnerte Kant. »Er mag schöne Frauen in historischen Kostümen. Das sollten wir ausnutzen.«
»Du willst ihm einen Lockvogel schicken?« Weingarten guckte ungläubig. »Aber nicht unsere Heidi, oder?«
»Keine Sorge, Jungs«, grinste Heidi Busch. »Das haben der Chef und ich längst geklärt.«
Oberstaatsanwalt Dr.  Kemper stand Kants Idee grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. »Wie wollen Sie genau vorgehen?«
»Zunächst muss ich Frau Stern fragen, ob sie überhaupt mitmacht.«
»Wäre es nicht sinnvoller, eine der Kolleginnen im Präsidium zu bitten? Die Sache könnte gefährlich werden.«
»Darauf fällt Fabry nicht herein. Er kennt Anna Stern schon länger und hat eine Schwäche für sie. Wenn jetzt eine neue Frau in seinem Umfeld auftaucht, riecht er sofort Lunte.«
»Das klingt plausibel«, räumte Kemper ein. »Sichern Sie die Aktion gut ab, Kant. Wenn da was
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