Schoener Schlaf
Kant.
Salieri warf einen Millisekundenblick auf Leist. Diese saà am Tisch und hatte den Kopf in die Hand gelegt. Er nimmt das Bild tatsächlich mit nach Hause â Angelo hatte den Satz noch präsent. Aber wie alle anderen beteuerte auch Rebecca, niemandem etwas erzählt zu haben.
»Es wusste wirklich nur der engste Kreis davon. Die meisten Mitarbeiter der Kunsthalle gehen davon aus, dass sich das Bild in unserer Werkstatt befindet«, erklärte Sucher.
»Und Sie, Frau Stern?«, fragte Rebecca Leist. »Wieso wussten Sie eigentlich davon? Sie waren nicht dabei, als Alberto uns mit der Idee überraschte.«
»Onkel Hans hat es mir natürlich erzählt«, antwortete Anna mit ruhiger Stimme.
»Ein bisschen merkwürdig ist Ihre Position schon, immerhin erben Sie jetzt alles und wer weiÃ, ob â¦Â«
»Halten Sie sich zurück, Frau Kollegin«, unterbrach sie Sucher unwirsch. »Wir alle sind erschüttert von Herrn Sommerbergs Tod. Da möchte ich solche Sätze nicht hören!«
»Meine Kollegen werden heute Nachmittag Ihre Aussagen aufnehmen«, kündigte Kant an. »Ãberlegen Sie sich bitte, wo Sie gestern Abend gewesen sind. So ab zwanzig Uhr etwa. Und jetzt entschuldigen Sie mich.«
Er blickte zu Anna. »Bleibst du hier oder soll ich dich nach Hause fahren?«
Leist registrierte das Du. Das Fräulein Stern ist nicht ungeschickt, das muss man ihr lassen, dachte sie.
Anna folgte Kant zu dessen Auto.
»Ich weià gar nicht, was ich jetzt machen soll. Muss ich einen Bestatter beauftragen?«, fragte sie.
Er startete den Motor. »Heute unternimmst du gar nichts mehr. Ruh dich aus! Bis der Leichnam freigegeben wird, vergehen ein paar Tage.«
Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Anna war bleich, ihre Lippen rau, die Augen verweint.
»Wirst du mir helfen?«, fragte sie, als sie angekommen waren.
»Natürlich. Du kannst mich zu jeder Zeit anrufen.«
Er sah ihr nach. Anna. Endlich hatte er wieder Zugang zu ihr â auch wenn der Anlass alles andere als erfreulich war.
*
Dr.  Manfred Sucher informierte die Versicherung und das Art Loss Register über den Diebstahl des Bildes. Fotos des Gemäldes gab es ja genug. Das Register war eine Datenbank, in der gestohlene Kunstschätze aus aller Welt verzeichnet wurden. Jeder seriöse Händler und Käufer informierte sich hier, bevor er sein Geld in ein Kunstwerk steckte. Diebstahl eines Vermeer-Epigonen . So würde die Meldung zu sehen sein. Den Wert gab Sucher mit fünftausend Euro an.
Während er die Unterlagen zusammenstellte, spielte sein Gehirn verrückt.
Wo lag der tiefere Sinn des Diebstahls? Das Gemälde zu klauen, bevor es zu einem echten Vermeer erklärt worden war, war dumm. Das Bild war noch nicht einmal halb restauriert. Diese Arbeit musste der Dieb oder sein Auftraggeber fortführen. Welcher Restaurator arbeitet an einem Werk, das gestohlen ist und ein Menschenleben gekostet hat?
Sucher blätterte die Fotos durch, die die Stationen der Restaurierung zeigten. In zwei Wochen wäre Meyer fertig gewesen.
Das Telefon klingelte. Nur zögernd hob der Direktor den Hörer ab. Die Kollegin vom Eingang teilte mit, dass Herr Goldstein eingetroffen sei.
Auch das noch, dachte Sucher.
Er holte den Experten im Foyer ab und berichtete ihm vom Tod Sommerbergs und vom Raub des Bildes.
»Oh â das tut mir sehr leid.«
»Ja, es ist ein Drama. Wir sind noch alle ganz betäubt von dem Ereignis.«
»Ist das Art Loss Register schon über den Diebstahl informiert worden?«, fragte Goldstein.
»Natürlich.« Sucher atmete schwer. »Ich habe das Bild als das Werk eines Vermeer-Epigonen bezeichnet. Lassen Sie uns eine Tasse Kaffee trinken.«
Goldstein und Sucher setzten sich ins Café der Kunsthalle.
»Verdammt, ich hätte es so gern gesehen. Seinen Aufstieg begleitet. Seine Karriere in den internationalen Museen vorbereitet. An seinem Siegeszug teilgenommen«, fluchte Goldstein. »Aber, warum wird das Bild gestohlen, bevor feststeht, ob es ein Vermeer ist?«
»Das habe ich mich auch gefragt, aber eine Antwort weià ich nicht«, antwortete Sucher.
»Die meisten Kunstdiebstähle dieser GröÃenordnung werden begangen, um Versicherungen zu erpressen.«
»Das Bild ist mit fünftausend Euro total unterversichert«, winkte Sucher ab. »Nun ja, vielleicht war der Dieb nicht besonders
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