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Schoener Schlaf

Schoener Schlaf

Titel: Schoener Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt , Friedemann Grenz
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hätten, Beweise für eine Schuld gab es auch dann nicht, nur Erinnerungen an ein früheres Leben.
    Fabry schlug die Seite mit dem großen Bild auf, das ihn gemeinsam mit Geraldine Moreno zeigte. Mit dem Zeigefinger zog er die Linien ihrer Figur nach. Wie schön sie gewesen war! Er saß auf ihrem Schoß und patschte sein Händchen auf ihren Ausschnitt. Er erinnerte sich, dass er ihren Busen gern angefasst hatte, weil die Haut so weich und warm war.
    Später hatte Grausamkeit ihre Schönheit überstrahlt. Sie hatte ihn erst ins Internat abgeschoben, dann war der Sohn zu Pflegeeltern gekommen. Er hatte es gut gehabt bei den Leuten, doch jeden Tag hatte er Maman verflucht, ihr den Teufel an den Hals gewünscht. Sein Wunsch war spät, aber nicht zu spät in Erfüllung gegangen: Krebs, zuerst am Kehlkopf, dann überall.
    Nach den ersten Operationen und Chemotherapien verblasste ihre Schönheit, die Galane verschwanden. Plötzlich hatte sie sich seiner wieder erinnert, laut und mürrisch Besuche eingefordert, gejammert und geklagt und ihn als undankbaren Sohn beschimpft. Lulu, das Monster, der Sohn, der Freude daran hatte, wenn sie Schmerzen empfand.
    War sie mit Morphium vollgepumpt, lebte sie auf, war fast wieder die Alte: die berühmte Mimin, der die Männer und das Publikum zu Füßen lagen. Bei seinen seltenen Besuchen flehte sie ihn an, ihre Kostüme zu ihr zu schaffen. Kleider, die jetzt um ihren Körper schlotterten, weil der Krebs ihre üppigen, rosafarbenen Formen weggefressen hatte.
    Rauf mit der gepuderten Perücke auf den kahlen Schädel! Rein ins Mieder mit den schlaffen Hautwülsten, die einstmals zwei schwere, schöne Brüste gewesen waren! Dann schritt sie mit königlicher Gebärde durch den Flur des Pflegeheims, majestätisch nach rechts und links winkend.
    Das Personal des Heims hatte ihn dafür bewundert, dass er ihre Wünsche so klaglos erfüllte. Ein guter Sohn, sagten sie über ihn – wären doch nur alle so.
    Andere hatten ihn hämisch als Spielball seiner Mutter bezeichnet, weil er sich von ihr malträtieren ließ.
    Er klappte das Album zu. Die Zeiten waren vorbei! Aus dem Spielball Leon war der Spieler Fabry geworden.
    *
    In einem Konferenzraum des Busunternehmens sichtete Heidi Busch Filme, auf der Suche nach Fabrys Gesicht.
    Nach drei Stunden waren ihre Augen so müde geworden, dass alle Personen gleich aussahen. Sie schüttete Kaffee in sich hinein, um wach zu bleiben. Weitere zwei Stunden später war sie sich sicher, dass es auf den Videos keinen Fabry zu entdecken gab. Sie schaltete den Rechner aus und wählte Kants Büronummer.
    Â»Chef, da war nichts«, berichtete sie. »Ich bin allerdings völlig geschafft. Meine Augen flimmern.«
    Â»Hast du auch genau geguckt?«
    Â»Ja, ich hab alles gesehen: randalierende Kids, einen kotzenden zerlumpten Opa, eine Mutter, die mit Kinderwagen in der Tür hängen bleibt, ein streitendes Pärchen, Jehovas Zeugen beim Flugblattverteilen – aber keinen Serienkiller, der gerade gemordet hat.«
    Â»Es war einen Versuch wert«, sagte Kant.
    Â»Was machst du denn noch im Präsidium, Chef?«, fragte sie.
    Â»Ich habe über eine neue Strategie nachgedacht«, antwortete er. »Aber mir ist nichts eingefallen.«
    Â»Soll ich dir helfen?«, bot sie an.
    Â»Jetzt?«
    Â»Lass uns einen Absacker nehmen. Im Galgenstrick.«
    Â»Warum nicht?«, meinte er. »In einer halben Stunde.«
    Im Galgenstrick gab es noch letzte Frikadellen und Brot. Heidi Busch stürzte sich darauf. Der viele Kaffee der letzten Stunden hatte ihren Magen in ein schmerzendes Etwas verwandelt, das gefüllt werden musste.
    Â»Wir brauchen einen Lockvogel«, meinte Heidi Busch kauend. »Und da ich eurer Meinung nach dafür nicht tauge, sollten wir uns die Kolleginnen mal ansehen.«
    Â»Ich mag Lockvogeleinsätze nicht«, sagte Kant. »Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass noch eine Frau stirbt.«
    Â»Wir können Fabry nur erwischen, wenn er ein neues Opfer im Auge hat und wir ihn rund um die Uhr beobachten.«
    Kant schüttelte den Kopf. »Der wird doch sofort misstrauisch, wenn plötzlich eine Frau, die seinem Beuteschema entspricht, seinen Weg kreuzt.«
    Â»Dann weiß ich auch nicht weiter.«
    Â»Anna!«
    Â»Was? Wer ist Anna?« Sie sah ihn verwirrt an. »Ein Lockvogel?«
    Â»Ich bestelle

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