Schönes Leben noch! (German Edition)
zu. Als sie die Finger auf die Türklinke legte, erstarrte sie.
Vielleicht ja beim nächsten Mal? Hatte sie das wirklich gedacht? Nein, nein, nein, nein, nein. Es gab weder ein dieses Mal noch ein nächstes Mal noch ein irgendwann einmal. Mac stand hier – Kleinstadtsheriff will sich mit Kind versöhnen. Und sie stand da – Hai aus Großstadt-Anwaltskanzlei. Sie wollte sich freischwimmen. Und nicht in Los Lobos gefangen sein. Sie wollte fettes Geld und eine noch fettere Rache an dem verlogenen, hinterhältigen Scheißkerl. Knackige Männer, die nebenan wohnten, gehörten nicht zu ihrem Plan. Und falls sie doch in Versuchung geriete, brauchte sie nur daran zu denken, was beim letzten Mal geschehen war, als sie sich besagtem Mann an den Hals geworfen hatte.
Er hatte ihren nackten Körper ein Mal angesehen und sichübergeben. Das war eine schmerzhafte Lektion gewesen – und sie täte gut daran, das nicht zu vergessen.
Emily Kendrick kniff ihre Augen so fest wie möglich zusammen – so lange, bis ihr das ganze Gesicht wehtat und sie dachte, sie würde sich die Augäpfel zerquetschen. Sie biss fest die Zähne zusammen, zog die Schultern hoch und hielt die Luft an, bis das Brennen nachließ. Dann entspannte sie sich.
Okay. Besser. Sie würde nicht weinen. Nicht hier. Auch wenn sie nicht genau wusste, warum sie dachte, dass sie ihren Gefühlen besser nicht nachgäbe. Es war ja nicht so, dass ihr jemand verboten hätte zu weinen. Der Befehl kam tief aus ihr – aus diesem unheimlichen, dunklen Ort, der immer größer wurde, wenn sie an den Sommer mit ihrem Dad dachte. Wenn sie daran dachte, dass ihre Mom weggefahren war und seit langer, langer Zeit nichts mehr in Ordnung war.
Von unten hörte sie Geräusche. Irgendetwas schepperte auf dem Herd. Früher hätte sie bei dem Gedanken, dass ihr Dad etwas kochte, gekichert. Manchmal hatte er das gemacht. Sonntagmorgens etwa oder wenn sie krank gewesen und er bei ihr zu Hause geblieben war. Dann hatte er lustige Sachen gemacht, wie zum Beispiel getoastete Käsesandwiches, die er in Bootform geschnitten hatte, oder Karamellpopcorn, das sie zusammen in den Ofen geschoben hatten. Er hatte ihr immer erlaubt, ihm zu helfen. Er hatte …
Das Brennen kam wieder. Emily atmete tief ein und verdrängte die Tränen mit purer Willenskraft. Sie würde nicht über früher nachdenken. Nicht an die Zeit denken, als noch alles gut gewesen war und ihr Dad sie in die Luft geworfen und ihr gesagt hatte, dass er sie lieb hatte, während ihre Mom die ganze Zeit gelacht hatte. Sie würde weder daran denken noch daran, wie sie und ihre Mom eines Tages fortgegangen waren und ihr Dad sie nicht mal gesucht hatte.
Sie ging zu dem Bett, das sie sorgfältig gemacht hatte, undnahm Elvis. Das zerschlissene Nashorn lag genauso in ihren Armen wie immer, und sogleich ging es ihr ein bisschen besser.
„Mommy hat uns allein gelassen“, murmelte sie dem kahlen Fleck hinter seinem Ohr zu – der Stelle, der sie immer ihre Geheimnisse anvertraute. „Sie ist gestern Abend gefahren, nachdem sie mich ins Bett gebracht hat, und ich bin wütend auf sie.“
Emily wollte nicht wütend auf ihre Mom sein, aber wütend sein war ungefährlich. Im Augenblick war sie gern wütend, denn wenn sie wütend war, machte sie sich nicht so viele Gedanken.
„Wir müssen den ganzen Sommer hierbleiben. Und wir müssen die Tage bei irgendeiner alten Frau verbringen, weil mein Dad arbeiten muss. Er ist der Sheriff.“
Sie wusste nicht, was es hieß, der Sheriff zu sein. Vorher war er Polizist gewesen. Es hatte ihr gefallen, wie er in seiner Uniform ausgesehen hatte – so groß und mutig –, und sie hatte gewusst, dass er sie immer beschützen würde. Aber dann hatte er sie gehen lassen, und das durften Daddys eigentlich gar nicht. Eigentlich mussten Daddys immer bei ihren kleinen Mädchen sein.
Ich will hier nicht sein, dachte Emily und starrte die Zimmertür an. Sie hatte ihre Mutter angefleht, zu Hause bleiben zu dürfen. Sie hatte versprochen, brav zu sein und ihr Zimmer aufzuräumen und nicht zu viel fernzusehen, aber es hatte nicht funktioniert. Ihre Mutter hatte sie hergebracht und allein gelassen.
Emilys Magen knurrte. Sie hatte Hunger, weil sie vor dem Schlafengehen nicht so viel gegessen hatte.
Langsam und vorsichtig öffnete sie die Tür und trat auf den Flur. Das Haus war zwar alt, aber schön. Groß, zweistöckig und mit vielen großen Bäumen ringsherum. Ihre Mom hatte ihr erzählt, dass der Ozean ganz nah sei
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