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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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wirklich beschissen. Beschissen, verstehst du?“
    Ich nickte. „Beschissen.“ Ich verstand.
    „Es gab nur einen Scheiß-Feldweg rein. Der, auf dem wir gekommen waren. Und einen Scheiß-Feldweg raus, da wo wir wieder rausgefahren sind. Dazwischen gab es ein paar strohgedeckte und nicht besonders sorgfältig gebaute Hütten aus Schilf, einen Haufen Bäume und viel Dreck, verstehst du?
    Ich nickte. Ich verstand.
    „Was es auch noch gab, war ein Parkplatz. Na gut, eine Art Parkplatz, eine Ecke unbebauter Dreck, wo Lastwagen anhielten und Busse, die hier entlang durch den Busch fuhren. Wie wir.“ Mehr Blicke in meine Richtung.
    Hubsi spielte mit seinem Teebeutel. Er hatte die Geschichte schon einmal gehört.
    „Ich stieg aus. Ich hatte aufgehört zu würgen und genoss in ruhiger Kontemplation die frische, ungeschaukelte Nachtluft, verstehst du?“
    Ich verstand.
    „Auf einmal kommt ein junger Mann zu mir. Es war Nacht, aber nicht Nacht genug, um nicht doch noch Monsieur Le Blanc zu erkennen, und der junge Mann fing an mit mir zu sprechen. Wir plauderten so, und irgendwann, wie man einen so fragt, fragte er mich, wie ich denn Beschissenes Nest, dessen Namen ich, wie gesagt, vergessen habe, so finde?“
    Felder guckte mich wieder fragend an. Welche Reaktion erwartete er?
    „Er fragte das natürlich nicht, weil er hören wollte, dass er, da er nun mal in Beschissenes Nest lebte und nicht raus konnte, auch damit hätte leben können müssen, sondern er fragte mich das, weil er hören wollte, dass es mir gefiel. Weil es ihm gefiel. Gefallen musste. Verstehst du?“
    Bedeutungsschwere Stille. Felder hatte den Mund aufgerissen. Seine Augen blickten mich an, als habe man ihm damals die größte Demütigung des Planeten beigebracht, ja, als vereine er in seiner Person das größte Leiden, das je irgendjemand widerfahren ist.
    Er senkte den Kopf. „Da habe ich zum ersten Mal verstanden, dass es egal ist, wo du lebst. In Beschissenes Nest oder woanders. Denn, egal wie beschissen das Nest, ja, wahrscheinlich sogar je beschissener das Nest ist, in dem du lebst, die Bewohner werden es immer lieben, verteidigen, über den grünen Klee loben, egal wo. Niemand kann ein realistisches Bild von dem Ort entwickeln, indem er lebt, aus dem er kommt. Das liegt in der Natur der Sache.“
    „ Dazu musstest du in den Kongo fahren?“ Sein bedeutungsschwangeres Gerede fing an mir etwas auf die Nerven zu gehen.
    „ Nicht speziell in den Kongo. Aber es hat sicher geholfen.“
    „ In Ordnung. Aber was hat das mit Lokalesisch zu tun?“
    „ Gut. Das ist der Hintergrund. Denn genau der ist es ja, der die Heimspieler ausmacht. Dass sie ohne völliges Bewusstsein sind, dass Leute, die von woanders kommen, ihren Ort ganz anders sehen könnten, als sie selbst.“
    „ Lokalesisch also als die internationale Sprache der Heimspieler?“
    „ Ich hätte es nicht besser sagen können!“
    „ Man hört es überall, und überall unterscheidet sich das eine Lokalesisch vom nächsten, doch an sich ist es eigentlich gleich.“ Ich kam Felder jetzt entgegen.
    „ Genau. Die haben es sich gegenseitig so oft erzählt, oder im Fernsehen, im Radio oder auf der Straße erzählt bekommen, dass es jeder Leuten von auswärts erzählen kann. Nichts anderes als Mythen eigentlich, Legenden, die sie sich zurecht gelegt haben, und die man an die anderen verbreitet als eigenes Selbstverständnis.“
    „ Genau.“ Ich verstand.
    Aber Felder war noch nicht fertig. „Aber natürlich gibt es Lokalesisch auf jeder Ebene. Auf der der Nationen, und dann immer weiter nach unten bis nach Beschissenes Nest, und wenn man in Beschissenes Nest genau nachfragen würde, gäbe es wahrscheinlich zwei oder mehrere verschiedene Dialekte des Lokalesischen, der aus Beschissenes Nest-Berg und der aus Beschissenes Nest-Tal, zum Beispiel, verstehst du?“
    Ich verstand. „Aber was sie alle eint, ist, dass sie nur Sinn machen, wenn sie sich die Heimspieler untereinander erzählen, aber nicht anderen.“ Ich war jetzt sehr entgegenkommend.
    „ Junger Mann, Sie sagen es!“
    Hubsi lachte glücklich. Er schien sich zu freuen über unsere Einmütigkeit. In diesem Augenblick kam ich mir mit den beiden zusammen vor wie eine kleine Familie, zufrieden, unabhängig von dem, was da draußen so vor sich ging, sich selbst genug in einem Café in Marzahn.
    „Alles klar.“ Felder setzte seine Teetasse ab. „Dann lass uns doch mal eine Übersetzung aus dem Marzahner Lokalesischen versuchen.“
    „

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