Schönesding!
und ließ sich von uns nicht stören. So wie sie aussah, war sie aus Sri Lanka vielleicht oder aus Bangladesh.
Über dem Eingang des Blocks sahen wir dann eine Tafel Wohnheim Neuanfang , und später dann, nach mehr leeren Blocks, mehr verlassenen Anlagen und mehr toten Häuserseelen, ein paar hundert Meter die Straße hinunter am verlassenen Tor des Geländes: Deutsche Bahn, Dienstleistungszentrum Bildung, Lernstation Berlin-Marzahn . Die hatten sich den richtigen Platz dafür ausgesucht.
Als wir so herumliefen und interessiert die Hälse drehten, kam ein Opel Astra angefahren und parkte vor der Ruine der Volkshochschule. Zwei alte Leute stiegen aus. Er Schiffermütze, Modell Helmut Schmidt, verblichener Anorak, Hose VEB Stralsund, Bestellnummer Gute Alte Zeiten, und bequeme Schuhe. Sie farblich und formlich darauf abgestimmt, eine Flasche Schaumwein und eine gelbe Rose in der Hand. Sie waren auf dem Weg zu einer Geburtstagsfeier, hätte ich mal getippt. Zu einem Glas Rotkäppchen , schon am Vormittag, und ein bisschen unnötigem Plausch bei Cousine Hanne hier um die Ecke.
Felder wirkte zufrieden. Er begnügte sich damit mich herumzuführen und sprach nicht viel. Ich hatte das Gefühl, er beobachte mich dabei, wie ich alles beobachtete.
Erst als ich später die neu hergerichteten, kunterbunt verkleideten Wohnblocks östlich der S-Bahnlinie gesehen habe, verstand ich, warum Felder mich hierher geführt hatte. Ihm ging es um den Kontrast. Wenn man das hier gesehen hatte, merkte man erst so richtig, was für ein Musterviertel Aufbau-Ost da auf der anderen Seite der Schienen entstanden war. Auf unserer Seite der Bahnlinie jedoch stieg sowieso niemand aus. Nur ein paar Ausländer. Da musste man nichts machen. Das konnte man sich selbst überlassen.
Dann überquerten wir schließlich die Gleise am S-Bahnhof Marzahn und standen auf einmal vor dem Eastgate Einkaufszentrum.
Mit fast fünfzig Jahren Verspätung ist also nun auch die Mall aus den USA nach Deutschland gekommen. Und die gute Nachricht: Hier ist sie ein großes Ding.
Außen ist das Eastgate mit silberfarbenem Kunststoff verkleidet und, weil vorne das Dach einen gewagten Schwung nach oben macht, sieht es ein bisschen aus wie eine Sardinenbüchse, bei der jemand den Deckel aufgebogen hat.
Felder holte einen Notizblock und einen Stift aus der Tasche und baute sich mit einem „So, jetzt pass mal auf!“ vor dem Eingang auf. Hubsi, als wisse er schon, was jetzt kommt, stellte sich gleich daneben. Ich dachte, nanu, was will er denn jetzt, und hielt mich erst einmal etwas abseits. Erst als klar war, dass Felders Schuhlosigkeit und seine dunkle Sonnenbrille keinen größeren Auflauf verursachte, stellte ich mich neben die beiden.
Felder stoppte nun einfach Passanten und fing an ihnen Fragen zu stellen. Er schrieb nichts auf, führte den Stift nur über das leere Papier. Wenn ihm eine Antwort zu gefallen schien, drehte er sich zu mir und grinste verschwörerisch, wie um zu sagen, siehst du, hab ich's dir gesagt, ich hab's dir gesagt.
Vor allem wollte Felder wissen, warum die Leute in Marzahn wohnten. Einige wohnten jedoch gar nicht hier. Sie waren nur aus ihren Brandenburger Dörfern hierher zum Einkaufen gekommen. Sie entließ Felder schnell wieder. Aber bei denjenigen, die hier wohnten, fragte er nach.
Die erste war Angélique, vielleicht fünfundzwanzig, mit ihrer Tochter Estelle im Kinderwagen. Sie hatte dunkle Strähnen im blonden Haar, die es irgendwie schmutzig aussehen ließen, und so viel Puder drauf, dass es fast mit dem Gesicht verbacken schien.
Angélique sagte, dass sie in Marzahn wohne, weil hier die Miete niedriger sei. Felders Augen blitzten mich an.
Dann sagte er: „Echt, wie viel zahlen Sie denn, wenn ich fragen darf?“
Angéliques Miete schien so niedrig nicht. Jedenfalls nicht niedriger als in anderen Berliner Vierteln. Das sagte Felder.
„Ja, das stimmt schon“, darauf Angélique. „In letzter Zeit ist es gar nicht mehr so günstig hier. Das habe ich auch schon gemerkt.“
Felder bohrte nach: Warum lebe sie dann also hier?
„Na ja, wissen Sie“, sagte sie immer noch ganz ruhig, „die Mieten sind hier vielleicht nicht mehr so niedrig, aber die anderen Sachen, die Lebensmittel vor allem, die schon.“
Wir haben uns später im Eastgate die Preise angeschaut, und die waren eher höher als bei uns in Mitte. Felder schien das schon gewusst zu haben, denn er blieb dran, er erzählte ihr von den Preisen bei uns.
Darauf musste
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