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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Angélique einräumen, na ja, das stimme schon, aber wir wüssten ja, mit dem Kind und so, und dem vielen Grün hier, das sei schon besser. Außerdem gebe es weniger Autos und alles so was, für sie sei das schon die bessere Gegend.
    Felder dankte ihr, dass sie sich die Zeit genommen habe ihm die paar Fragen zu beantworten, schüttelte ihr die Hand und gab ihr die besten Wünsche mit auf den Weg.
    Dann drehte er sich zu mir und sagte mit Triumph in der Stimme: „Na, siehste!“
    Was sah ich?
    „ Du siehst es wirklich nicht, oder?“
    Das tat ich nicht.
    „Na gut. Dann ein paar Zahlen: In Marzahn zahlst du für eine sechzig-Quadratmeter-Wohnung im Durchschnitt €4,96 pro Quadratmeter. Das sind fast 41 Cent mehr als im Berliner Durchschnitt.“ Felder leierte die Statistiken runter wie ein Politiker. „Das durchschnittliche Brutto-Jahres-Einkommen in Deutschland beträgt €27.493. In Marzahn-Hellersdorf sind es genau fünfzig Euro weniger. Damit liegt es deutlich höher als im Berliner Durchschnitt.”
    Dann hielt er wieder Passanten an. Doch die Interviews liefen nun immer nach demselben Muster ab. Fast alle fingen mit den günstigen Mieten an, mussten dann aber, nachdem Felder ihnen diesen Weg versperrt hatte, alle möglichen anderen Fluchtrouten ausspähen. Am beliebtesten waren: Es ist nicht weit in die Natur; und Freunde und Verwandte leben hier. Als sich sogar Hubsi inzwischen zum Chordienst aufgefordert fühlte, sagte Felder ungeduldig: „Na? Und? Siehste jetzt?“
    Was sah ich? Das Ganze machte keinen Sinn, und das sagte ich auch.
    „ Haargenau! Es macht keinen Sinn.“ Felder machte einen kleinen Luftsprung.
    „ Schönesding!“
    „ Es macht keinen Sinn. Genau das ist es. Es macht keinen Sinn.“
    Jetzt wurde ich völlig unsicher. Was sollte das! Machte er sich lustig über mich?
    „Du hast es genau erkannt. Es macht keinen Sinn. Es ist also allerhöchste Zeit, aus dem Lokalesischen zu übersetzen.“
    „ Aus dem was, bitteschön?“
    „ Aus dem Lokalesischen.“
    „ Was soll der Scheiß!“ Ich wurde jetzt etwas ungeduldig.
    „ Ganz einfach“, sagte Felder, als sei es wirklich ganz einfach. „Sobald du irgendwo hinkommst und merkst, dass alle so gut wie dasselbe reden, aber dieses Selbe macht keinen Sinn, dann musst du, eins, erkennen, dass du gerade Lokalesisch hörst, und, zwei, daraus übersetzen.“
    Ich verstand immer weniger.
    „Na gut, pass auf. Ich erzähle dir eine Geschichte.“ Felder packte mich an der Schulter und zog mich in Richtung Eastgate . Dort setzen wir uns in ein Café ziemlich am Eingang und holten uns einen Tee.
    Hier standen ein paar Tische und ein paar Plüschhocker. Eine Oma fütterte ihrem Enkel kleine Häppchen von einem Stück Blaubeer-Kuchen, und ein mittelaltes Paar an einem anderen Tisch, die Anoraks auf die Hocker neben sich gebreitet, ließ bei einer Tasse heißer Schokolade den Strom Einkaufender an sich vorbei ziehen.
    Hier war es ganz schön. Das Licht strahlte neon, durch die Gänge wallte Muzak, und ab und an schnappte man Fetzen von zentral-strategischem Einkaufszentrum-Geplapper auf: „Du, die Mandy hat jetzt geheiratet!“ oder „Wolle mä dem Kevin seine grünen Schuhe noch a mal mache lasse?“ Damit man gleich wusste, hier bist du nur ein Rädchen im Getriebe der großen Maschine Arbeitskraft-ein-bisschen-Geld-dafür-und-fertig. Der ideale Ort also, um jemandem seine größten Geheimnisse zu gestehen.
    Nachdem wir die Atmosphäre ein bisschen auf uns hatten wirken lassen, fing Felder an zu erzählen. Er beugte sich leicht über den Tisch und schaute mir in die Augen. „Also gut, lass mich versuchen dir das zu erklären. Ich war einmal im Ost-Kongo...“
    „Du warst schon mal im Kongo?“
    Felder stockte. Er schaute mich wortlos an. Er wollte wohl nicht unterbrochen werden.
    „Also, ich war, wie gesagt, in einem Bus im Osten des Kongo unterwegs. Mir war schlecht. Ich hab die Malaria-Pillen nicht vertragen oder irgendwas. Es war nachts, und ich hab aus dem Fenster gekotzt, während der Bus so durch den Busch getanzt ist wie ein Schiff auf unsteter See.“ Felder guckte mich an, als warte er auf eine Reaktion.
    „ Was hat das mit Lokalesisch zu tun?“
    „ Nicht so schnell. Dazu komme ich gleich.“ Er räusperte sich. „Also, wie gesagt, wir sind mit dem Bus unterwegs und kommen schließlich nach langer, langer Fahrt in Beschissenes-Nest-Im-Busch an. Ich weiß nicht, wie es hieß, ich weiß nicht, wo es war, ich weiß nur eins, es war

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