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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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der Nachbarschaft nieder und fochten es aus.
    Wenn die Krähen sich in der Dämmerung sammelten, machten sie beschwingte Laute wie fidele Möwen vielleicht, Piep, Piep, Piep. Aber wenn es um den Müll ging, schien der Spaß aufzuhören. Dann gab es nur noch ein kehliges Kräx, Kräx, Kräx.
    Wenn diese Krähen sich irgendwann ihrer Macht bewusst werden, das wusste ich, dann Gnade uns Gott. Dann wird es schrecklich.
    Gestern Abend sind sie direkt auf das Dach gegenüber geschwärmt. Ein paar hundert schwarze Projektile, losgelassen in der Abendluft. Erst schossen sie dicht zusammen, dann stoben sie auseinander. Aus Löchern wurden Knäuel. Aus Knäueln Türme. Aus Türmen Wolken und aus Wolken Leere. Der Himmel explodierte. Der Himmel wankte. Ich taumelte.
    Ich hatte Beton im Herzen.
    Wir mussten jetzt alle sehr stark sein. Also ging ich rüber zu Felder.
    Gestern Abend hatten Helmut und die anderen bestimmt ihrem Zorn über Felder freien Lauf gelassen. Da war ich schon weg. Als Felder ging, ging ich auch. Aber was Helmut und die anderen bestimmt gesagt haben, hätte für mich sowieso hohl geklungen.
    Klar: Felder war unausstehlich. Er wusste alles besser. Er fuhr dir über den Mund. Trotzdem konnte ich ihm nicht richtig böse sein. Wahrscheinlich sah ich die Welt schon zu sehr mit seinen Augen, um mich auf die Seite von Helmut und der anderen zu stellen. Als Felder ging, ging ich auch. Hinter mir hörte ich lautes Murren, aber das wars.
    Also ging ich rüber zu ihm.
    Hubsi machte die Tür auf. Ich hatte ihn wohl gerade beim Essen gestört. Er kaute. Und kaute einfach weiter, während er auf Felders Schlafzimmertür wies.
    Ich klopfte vorsichtig. Und hörte nur ein Seufzen. Dann ein vorläufig klingendes, „Komm rein.“
    Der Vorhang vor dem Fenster war zugezogen, so dass der Raum in einem fahlen Zwielicht lag. Viel mehr Platz als für das Bett war in dem Zimmer nicht. Felder lag darin. Die Zudecke hatte er bis zur Nase hochgezogen. Neben ihm auf einem Stuhl stand eine Teekanne und ein fast leerer Teller. Das Ganze fühlte sich schnell an wie ein Krankenbesuch. Schneller als mir lieb war.
    „ ,Warum eigentlich ich?', frage ich mich manchmal. ,Warum ich?'“
    Wir hatten uns noch nicht richtig begrüßt, da war Felder schon wieder in seinem Monolog. Allerdings war mir das auch ganz recht. Zu sprechen über das, was um Tag zuvor passiert war, wäre mir unangenehm gewesen.
    Warum ich also!
    „ Was habe ich eigentlich getan?“
    Felder erwartete keine Antwort. Also sagte ich nichts.
    „Warum hör ich sofort Lokalesisch, seh ich sofort Heimspieler, wenn sie den Mund aufmachen? Das ist wie eine Krankheit, ein Fluch, verstehst du?“
    Echt, ist es das?
    „Man muss mir gegenüber jedoch auch fair sein.“
    Fair, ha! Ihm gegenüber!
    „Denn man muss doch ehrlich sagen, dass ich um mich herum eigentlich nur Lokalesisch höre. Was kann ich da machen!“
    Du, Felder! Überhaupt nichts!
    „Na ja, und du musst wissen: Wenn du erst einmal einen Weg gegangen bist, und du hast das Ziel gesehen, du kennst das Ergebnis, verstehst du, dann kannst du nicht mehr umkehren. Das heißt, du kannst natürlich schon umkehren, aber dann bist du nicht mehr derselbe. Wenn du erst einmal etwas verstanden hat, kannst du es nicht mehr unverstanden machen, verstehst du? Du kannst nicht so tun, als ob du nie gegangen, als ob du noch der alte wärst. Niemand kann sich zurückentwickeln. Verstehst du?“
    Über wen redete Felder? Über sich oder die Heimspieler?
    „Das ist ein wirkliches Dilemma. Wenn du Heimspieler höflich darauf aufmerksam machst, dass sie sind, was sie sind, hassen sie dich und kündigen dir die Freundschaft. Lässt du aber ihr Lokalesisch unwidersprochen, gehst du nach Hause und hasst dich selbst. Da gibt es keinen Ausweg.“ Er schaute mich an, als könne er wirklich nichts machen, als sei er da in etwas reingeraten, aus dem er nicht mehr rauskam. Er hatte meine Kommilitonen runtergemacht, aber jetzt war er es, der mir leid tat. Reife Leistung.
    Was sollte ich dazu sagen. Ich probierte: „Mach dir keinen Kopf. Irgendwie gibt es immer neue Wege, die du gehen kannst, an deren Ende immer neue Überraschungen stehen. Manchmal gibt es Leute, die mit dir gehen. Manchmal wirst du allein gehen. Manchmal laufen die Wege nebeneinander, dann wieder kreuzen sie sich. Aber zurück geht niemand. Alle sind unterwegs. Irgendwann weiß keiner mehr so genau, wo er losgelaufen ist, und wohin er eigentlich wollte.“
    War es wirklich so? Woher

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