Schönesding!
verstehen!
Luise ist speziell für das Meeting zwei Tage früher nach Berlin gekommen, aber, wie gesagt, es ist nicht so gut gelaufen.
Bei dem Meeting wollte Frau Sommer herausfinden, sagte sie, ob das mit Luise eine förderungswürdige soziale Beziehung war. Im Klartext: Sie wollte sehen, dass Luise mich nicht zu Straftaten anstiftet. Luise von allen Leuten!
Wir sitzen bei Frau Sommer im Zimmer. Aktenschränke, ein Schreibtisch, ein paar Holzstühle, ein Tisch. Warum riecht es in deutschen Amtszimmern eigentlich immer nach Staub und altem Papier? Bei Frau Sommer kommt sogar noch was anderes dazu: der Schweiß von tausend Häftlingen. Der Angstschweiß von Häftlingen, denen es leid getan hat. Wirklich leid getan hat. Der ist hier imprägniert. Den Geruch kenne ich. Ich weiß, wovon ich rede. Den kenne ich wirklich gut.
Luise und ich sitzen nebeneinander. Frau Sommer uns gegenüber. Ich muss mich konzentrieren. Ich muss mich konzentrieren Luise nicht anzufassen. Mich nicht anzufassen. Mein Gott, wenn das mal gut geht.
Ich erkenne Luise kaum wieder. Sie trägt einen Rock, eine Bluse, keinen BH. Das sehe ich sofort. Sonst trägt sie nie einen Rock. Immer Jeans, nie einen Rock. Außerdem dazu dünne, schwarze Strümpfe. Solche mit Mustern drauf. Mein Gott, mit Mustern über die ganzen Beine.
Wenn sie so zum Langzeitsprecher kommt, in Ordnung. Aber hier! Solche Strümpfe sind wie potenzierte Nacktheit. Wie Nacktheit hoch zwei, verstehen Sie? Was soll das werden? Was will sie damit erreichen?
Außerdem trägt Luise Parfüm. Riecht frisch wie eine Frühlingswiese, denke ich. Nein, nicht wie eine Frühlingswiese. Das mag ja keiner. Wie man sich vorstellt, wie eine Frühlingswiese riecht. So riecht sie. Verdammt, Mann, das ist schlimmer. Viel schlimmer.
Am Anfang habe ich auch noch gedacht, Luise nimmt es ganz gut auf eigentlich. Immerhin sollte sie ja unter die Lupe genommen werden, nicht ich. Das kann schon eine Belastung sein, wenn du die blöden Psycho-Fragen nicht gewohnt bist. Das kann dir wie ein Angriff vorkommen auf dein Innerstes, wenn du überhaupt nicht damit rechnest. Aber, ich muss sagen, Luise hat es gut gemacht. Mit den Bändern, das schob sie auf Felder, und sie hat sich nicht kirre machen lassen. Sie hat einfach erzählt, wie wir uns kennen gelernt haben – Mensa fetzt, Mensa fetzt -, was meine Haft für sie bedeutet – kurze Träne, Hut ab, Hut ab! -, und was wir planen zu tun, wenn ich rauskomme – fragen Sie nicht!
Wer es dagegen nicht so gut aufgenommen hat, war ich. Es ist seltsam, wenn jemand, den du gut kennst, mit einem Dritten über dich spricht und du selbst dabei sitzt. Wir hatten ja nicht viel Gelegenheit uns abzusprechen, Luise und ich. Ein bisschen per Textnachricht, und wir haben ein paar Mal telefoniert. Aber in weiten Teilen musste Luise improvisieren.
Da kommen auf einmal Dinge raus, die du so noch nie gehört hast: „... so impulsiv wie er ist, kann man sich ja vorstellen, dass ...“ Was redest du da, Luise! Verdammt, Mann, das fühlt sich an wie eine Eheberatung. Wer ist hier impulsiv? „Er hat Probleme mit familiärer Nähe ...“ Luise! „... er kann meine Mutter nicht leiden... und die meint es wirklich gut mit ihm...“. Kennen Sie Gabi Wisch! „... und er fasst nur schwer Vertrauen...“ Kein Vertrauen, das wundert dich! Na warte, wenn wir allein sind!
Als ich Luise danach zur Rede stelle – Frau Sommer hat uns fünf Minuten gegeben -, wo sie den ganzen Quatsch her hat und warum sie mir das alles nie selbst gesagt hat, sagt sie einfach keck, na ja, ich hätte ja nie gefragt.
Ich konnte nichts machen. Frau Sommer hat davor durchblicken lassen, dass es einen besseren Eindruck macht, wenn ich nur rede, wenn ich gefragt werde. Das ist hart! Dein Urteil wird gesprochen, und du musst daneben sitzen und es schlucken.
Je länger das Ding gedauert hat, um so mehr fing Luise an es zu genießen. Das war nicht zu übersehen. Sie fing an mit dem ganzen Mist seit meiner Verhaftung und drehte alles so hin, wie es ihr passte. Ich war so froh, als die Stunde endlich vorbei war. Ich war eine Zündschnur.
Nun war mir klar, es war keine gute Idee, Luise in das ganze Ding mit einzubeziehen. Dann lieber keinen Urlaub und keinen langen Sprecher. Es war nicht gut, ihr so viel Macht zu geben, ja, sich ihr auszuliefern. Jetzt bekomme ich alles zurück. Sie weiß genau, dass ich sie brauche. Sie weiß genau, dass ich jetzt nicht mehr sagen kann, fahr zurück nach Hause, fahr zu deiner
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