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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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gezeigt. Das Gerede in der Schule hätte ich nicht ertragen. Und natürlich haben mich meine Eltern zu ein paar Psychologen gebracht, klar. Und natürlich wussten die, was Sache war, klar. Aber es ist ja nie deine Schuld. Ich war ja ein Kind, na ja, ein Jugendlicher, die brauchen viel Liebe und Zuneigung, weiß man ja, Probleme haben die schon genug.“ Hubsi lachte.
    „ Das hat verdammt schnell seine eigene Dynamik entwickelt, glaub mir. Und da ich erst einmal angefangen hatte, musste ich natürlich dabei bleiben, sonst wäre ich ja als Simulant dagestanden. All das habe ich mir am Anfang gar nicht überlegt, so was kann man ja nicht planen, aber da gab's schon kein Zurück mehr. Da war nichts mehr zu machen.“
    Ich sagte nichts. Ich hörte zu.
    „Na ja, und am Anfang habe ich ja noch gesprochen, wenn ich allein war. Nur bald habe ich gemerkt, ich gefalle mir einfach besser, wenn ich nicht spreche, oder besser gesagt, ich habe mir nicht mehr gefallen, wenn ich sprach. Kannst du dir das vorstellen?“
    „ Wie meinst du das?“ Ich wusste wirklich nicht genau, was er meinte.
    „ Ganz einfach. Du hast einen Gedanken, und er ist gut, er ist echt etwas Besonderes, witzig, geistreich, musste schon immer mal gesagt werden, so was, aber sobald er deinen Mund verlässt, hört er sich blöd an. Und das selbst, wenn niemand dabei war, wenn ich mit mir selbst vor dem Spiegel redete. Wie wäre es erst gewesen unter richtigen, unter gefechtsmäßigen Bedingungen, wenn ich mit jemandem geredet hätte!“
    „ Ich weiß nicht...“ Über all das, muss ich sagen, hatte ich noch nicht wirklich nachgedacht.
    „ Ich weiß es aber. Denn, beim Weltenlenker, Diskussionen mit Leuten tragen doch einen fundamentalen Mangel in sich.“
    Hörte ich da wieder einen Felder heraus. „Du glaubst doch gar nicht an Gott!“
    „Natürlich nicht. Aber das hört sich doch viel besser an!“
    „ Tut es das?“
    „ Auf jeden Fall... Aus irgendeinem Grund müssen sich zwei Leute, die miteinander reden, immer einig werden. Und wenn sie sich nicht einig werden, müssen sie sich darauf einigen, dass sie sich nicht einigen können. Mit einem Wort: Was du sagst, hängt immer davon ab, mit wem du redest. Ob du das willst oder nicht.
    „ Du musst ja nicht mit allen Leuten reden.“
    „ Oder mit überhaupt keinem.“
    „ Also was du sagst, ist: Eigentlich hast du nicht nicht-geredet, sondern du hast mit keinem geredet?“
    „ Nein. Ich habe schon nicht-geredet.“ Hubsi lehnte sich zurück und atmete tief ein. „Wahrscheinlich musst du es einfach selbst ausprobieren, um es zu verstehen. Du entwickelst ein ganz anderes Gehör, oder besser gesagt, du hörst zum ersten Mal richtig. Zum einen, weil du selbst nicht mehr dazwischen quakst. Zum zweiten, weil das Denken vor dem Sprechen wegfällt. Du kannst dich völlig entspannt aufs Hören konzentrieren. Wahrscheinlich sind die Leute einfach nicht zum gleichzeitigen Sprechen und Hören ausgelegt, manche zumindest. Sie sind viel zu fahrig dazu, verstehst du?“
    „ Na ja, schon, aber du musst...“
    „ Und das neue Hören ist echt eine Erfahrung, sage ich dir.“
    Dafür dass es so viele Argumente fürs Nicht-Sprechen gab, redete Hubsi ganz schön viel. Vor allem fiel er mir ins Wort.
    „Musst du echt ausprobieren. Natürlich bestärkt es dich darin, auf jeden Fall nichts mehr zu sagen.“
    „ Tatsäch...“
    „ Auf jeden Fall. Wenn du erst mal anderen Leuten richtig zugehört hast, siehst du das Sprechen ganz anders. Du glaubst gar nicht, was die Leute für einen Unsinn reden.“
    Tu ich nicht?
    „Aber vor allem glaubst du gar nicht, wie wenig Inhalt die rüberbringen. Ich habe ja keine empirischen Untersuchungen gemacht, und das schwankt ja, je nachdem mit wem du redest, aber ich würde schätzen, im Durchschnitt ist rund ein Viertel faktischer Inhalt, der Rest ist die Kommunikation von Machtverhältnissen, momentane Stimmung, Zuneigung/Abneigung, mit ein bisschen Glück was zu Lachen und total oft einfach fürchterliche Langeweile. Am schlimmsten sind Leute, die sich lange kennen, da geht der Inhalt oft gegen null.“
    Wirklich?
    „Und es gibt ja noch einen viel gravierenderen Mangel am Sprechen.“
    „ Welchen?“
    „ Du musst dir überlegen, wen du sprechen lässt.“
    „ Wen du sprechen lässt?“
    „ Na, welche Person in dir du sprechen lässt. Den nachdenklich-schweigsamen, den selbstbewusst-schlaumeierischen, oder den begeisterungsfähig-kreativen Hubsi? Welchen? Das sind tausend

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