Schönesding!
Dann stecken wir in der Klemme. Das fühlte sich nicht gut an. In diesem Augenblick ist Felder im Ansehen bei mir einen ganzen Faden gesunken. Das ist sicher.
Von der Sendung bekam ich so gut wie nichts mit. Trotzdem kam mir alles irgendwie bekannt vor. Wie ein Déja Vu. Als ob ich in einem früheren Leben schon mal hier gewesen bin.
Als die Hostessen schließlich mit ihren Tabletts aus der Requisite traten, hörte ich deutlich die ersten Takte des Theme From Rocky in meinem Kopf spielen. Das war natürlich blöd. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich das nicht mehr unter Kontrolle. Es spielte in meinen Ohren gegen meinen Willen. Das möchte ich hier auf jeden Fall zu Protokoll geben.
Soweit ich das sehen konnte, nahm jeder in unserer Reichweite ein Glas. Wir drehten uns zu unseren Nachbarn und versuchten mit ihnen anzustoßen. Die meisten taten es. Dahinter war keine Arglist zu vermuten. Wir wollten mit ihnen anstoßen. Sie blinzelten uns dabei sogar zu. Sie waren echt nett. Welch eine Schmierenkomödie!
Felder, Hubsi und ich drehen uns jetzt nach allen Seiten und setzen immer wieder das Glas an die Lippen. Dann stellen wir es auf den Boden. Ein Koch, Jonas Belfer ist das, nimmt einen Schluck. Das sehe ich. Hanno Lampe ebenfalls. Das registriere ich alles nur noch in Bilderfetzen. Dort setzt einer sein Glas an. Der eine Kameramann auch. Aber alle?
Ab nun tickt die Zeit. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
* 29 *
Lange Hölle Tegel: Heute kommt Luise zum Langzeitsprecher. Das muss gut werden. Sonst habe ich ein paar Monate nichts, woran ich denken kann. Woran ich mich hochziehen kann. Das muss jetzt gut werden. Sonst sieht's nicht gut aus.
Wir haben die kleine Wohnung von zwölf bis fünf Uhr nachmittags. Wir sind darin eingeschlossen. Uns wird niemand stören. Niemand wird uns beobachten. Nur wir zwei.
Kalle war mit Renate jetzt schon zwei Mal bei Frau Sommer zum Meeting, aber er hat immer noch keinen Termin für einen langen Sprecher. Sie will erst noch sehen, ob das mit Renate etwas Langfristiges ist, sagt Frau Sommer. Und dann noch ganz offen: Wir sind doch hier keine Verkupplungsagentur.
Kalle weiß nicht, was er noch machen soll. Renate steht offensichtlich auf ihn. Sie schickt ihm Fotos von sich in knapper Unterwäsche. Er geht schon völlig unrund. Aber einen Termin für einen Langzeitsprecher kriegt er davon doch nicht.
Ich werde zum allgemeinen Sprechzimmer eskortiert. Dort ist Luise. Ich küsse sie nicht, sage nur kurz Hallo. Sie wirkt angespannt. Mein Gott, sie wird doch nicht ihre Tage haben. Wir haben doch den Sprecher extra so gelegt, dass das nicht passieren kann. Lass bloß das nicht passieren!
Wir werden gemeinsam zu der kleinen Wohnung neben dem allgemeinen Sprechzimmer geführt. Wir reden nicht. Ich will erst, dass der Kapo weg ist, bevor ich etwas sage.
Der Kapo schließt auf und erklärt uns, erklärt Luise, wie die Sprechanlage funktioniert. Falls etwas sein sollte. Mir braucht er das nicht zu erklären, sie ist genau wie die Fahne in meiner Zelle. Deshalb höre ich gar nicht richtig hin.
„Haben Sie das verstanden?“, fragt er am Ende mit Nachdruck. Wahrscheinlich muss er das machen. Wegen der Vorschriften. Aber ich sehe, wie Luise schluckt, weil ihr bewusst wird, dass sie jetzt hier für ein paar Stunden mit mir eingeschlossen wird.
Der Kapo geht raus, und wir hören, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht. Wir sind allein.
„Luise“, sage ich. „Luise. Ich habe dich so vermisst.“
Sie löst sich aus meiner Umarmung und sagt: „Lass mich erst mal die Sachen auspacken.“
Luise läuft zu der kleinen Kochnische und fängt an eine Sporttasche mit Essen auszupacken. Sie hat Königskrabben mitgebracht und jungen Bambus, Champignons, Zwiebeln, Kokosnuss-Milch, Soja-Sauce, Sesam, Paniermehl, Honig, frischen Koriander, Gewürze, Reis, Grünen Tee, ein bisschen Salzgebäck. Sie hat an alles gedacht, sogar drei kleine Chili-Schoten kommen zum Vorschein.
Ich schaue mich um. Wie in unserem Block sind auch hier in der Wohnung die vier Farben zum Einsatz gekommen: blassrosa Wände, rostbrauner Fußboden, graue Sockelleisten und Gitter und ein paar Strähnchen Dottergelb dazu. Die Farben verlassen mich nicht. Die sind so beruhigend. Die treiben mich noch in den Wahnsinn.
Und wie es hier riecht! Hier haben bestimmt schon zehntausend Beiwohnungen stattgefunden. Auf dem Sofa, auf dem Bett, auf dem Esstisch. Überall. Wenn diese Wände sprechen könnten! Manchmal sind sogar die
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