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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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auch eine gute Rechtfertigung für unseren Film. Als ich Felder nach seinem ersten Probe-Besuch auf die Zuschauer angesprochen hatte, sagte er, aber genau das war es doch, warum wir ihn machten. Egal was wir taten, Tote könnten doch nur lebendiger werden. Und wahrscheinlich hatte er ja recht.
    Denn genau das war es ja, worum es ging. Das war die Voraussetzung für unseren Film. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen finanzierten alle durch eine Steuer auf jedes aufgestellte Fernsehgerät. Die musste man zahlen, auch wenn man gar kein öffentlich-rechtliches Fernsehen schaute oder gar schauen wollte. Das schauten fast nur noch Leute wie die toten Heimspieler hier im Studio. Aber zahlen dafür mussten alle. Eingetrieben wurde die Steuer mit den Mitteln des deutschen Obrigkeitsstaates, schlimmer noch als die Kirchensteuer. Denn wenn man die nicht zahlen wollte, konnte man immerhin noch aus der Kirche austreten. Aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen konnte niemand austreten. Das war Rechtfertigung genug, für das, was wir vorhatten. Auch wenn es auf den ersten Blick schwer erschien, wir hatten gute Gründe.
    Leichter wurde es dadurch jedoch auch nicht. Außer den vielleicht hundert Zuschauern waren in dem Studio eine Menge Fernsehleute, die an der Aufzeichnung der Sendung beteiligt waren. Die Zuschauerreihen hinten gingen steil nach oben. Und überall waren Monitore aufgestellt, die jede Einstellung der Sendung zeigten. Wahrscheinlich damit man nicht vergaß, hier war man beim Fernsehen.
    Die Küchentheke vorne streckte sich fast über die gesamte Breite des Studios, aber zwischen ihr und den Zuschauerreihen drängelten sich Kameraleute, Kabelträger, Requisitenschieber und Tonleute.
    Außerdem waren die Aufnahmeleiterin und Kerner per Standleitung mit Regie, MAZ und Ton im oberen Stockwerk verbunden. Und am Studioausgang standen zwei stabile Gorillas, die, als ob man das nicht schon von weitem gerochen hätte, groß Security hinten auf ihre Jacken stehen hatten. Während der Aufzeichnung ließen die keinen rein oder raus.
    All diese Leute mussten wir ausschalten. Wenn nur ein einziger nicht mitspielte, war unser Plan Makulatur.
    Wir wussten, dass im ersten Drittel der Sendung Hostessen mit Sekt, Orangensaft und Mineralwasser für die Zuschauer durchs Studio laufen werden. Das war der Startschuss. Jeder musste ein solches Glas trinken. Nicht nur die Zuschauer. Auch die Fernsehleute. Damit stand und fiel alles. Trank nur einer nicht davon, waren wir in Schwierigkeiten.
    Denn in diesen Gläsern war ein sehr starkes Schlaf- und Beruhigungsmittel, Rohypnol. Dafür sorgte unsere Person.
    Für die Hostessen war die Anweisung unserer Person, dass er oder sie ihren Ausstand gab. Alle sollten einmal anstoßen. Nun seien sich doch nicht so! Das war das, was sie wussten. Ob sie das auch durchgehend umsetzen würden, wussten wir nicht.
    Rohypnol betäubt stark und schränkt die motorischen Fähigkeiten etwas ein, setzt sie jedoch nicht außer Kraft. Es ist leicht wasserlöslich und hat im Vergleich zu ähnlichen Medikamenten den Vorteil, dass es geruch- und geschmacklos ist. Außerdem hat es die schöne Eigenschaft, dass sich diejenigen, die es einnehmen, oft nicht mehr erinnern können, was denn eigentlich während der Betäubung mit ihnen passiert ist. Oder zumindest nur in Bruchstücken. Das dürfte der Grund sein, warum es mit der entsprechenden Dosierung gern zu Vergewaltigungen benutzt wird.
    Wenn alles glatt lief und jeder außer uns etwas trank, würden wir also nach rund zehn Minuten ein Studio voll mit einer willenlosen aber glücklichen Truppe haben, die wenn nicht mit Wonne, so doch ohne Schwierigkeiten bei unserem Film mitmachen würde. Da ließ sich eine Menge machen. Das war der Plan.
    Aber jeder reagiert einen bisschen anders auf das Medikament. Und was ist, wenn nicht jeder davon trinkt? Das ging mir durch den Kopf, während Kerner in die Töpfe lugte und die Köche ihre Gerichte zubereiteten. Dann hatten wir nicht lange Zeit, um uns aus dem Staub zu machen. Warteten wir zu lange, saßen wir hier fest wie in einer Mausefalle.
    Ich drehte mich zu Felder. „Was machen wir eigentlich, wenn nicht jeder davon trinkt?“
    „ Dann stecken wir in der Klemme.“
    „ Das ist alles? Wir stecken in der Klemme. Kein Plan B?“
    „ Kein Plan B. Wir stecken einfach nur in der Klemme.“
    Das war das erste Mal, dass Felder auch nicht schlauer war als ich. Das fühlte sich nicht gut an. Sonst wusste er immer alles besser.

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