Schönesding!
tun, damit es vorbeigeht. Diese Stille macht mich wahnsinnig. Ich muss jetzt irgendwie aus dieser Situation rauskommen.
Ich stammle, dass es mir leid tut. Es tut mir leid, Luise. Ich nehme Luises Hände. Sie weint. Und Frau Sommer...Andrea, weint jetzt auch. Es tut mir leid, Luise. Es tut mir wirklich leid.
* 28 *
Kerner kocht wurde im Medienzentrum Rotherbaum in Hamburg aufgezeichnet. Gleich neben dem Tennisstadion, wo im Sommer die Internationalen Deutschen Meisterschaften stattfinden.
Das Studio ist in den drei unteren Stockwerken eines großen Glasbaus untergebracht, direkt an der Rothenbaumchaussee, und als wir uns auf unseren Platz in einer der hinteren Reihen setzten, war mir klar, das mit unserem Film, das wird schwer, das wird verdammt schwer.
Denn das, was wir vorhatten, war ein logistischer Alptraum. Es konnte nur funktionieren, weil Felder eine Person kannte, die bei Kerner kocht ein Praktikum machte. Das war die Voraussetzung. Ohne die - die Person, nicht die Frau – hätten wir es gar nicht versuchen brauchen. Ihre Identität kann ich natürlich selbst heute noch nicht preisgeben. Aber selbst mit ihr musste erst einmal alles glatt laufen.
Felder war eine Woche vorher schon mal hier. Zur Probe. Das war seine geheimnisvolle Reise, über die er mir nichts erzählen wollte. Das Treffen mit seiner Kontaktperson war hochkonspirativ, erklärte er danach. Sie wollte sich nur mit einem von uns treffen. Deshalb konnte Felder selbst uns angeblich erst danach davon erzählen.
Trotzdem war unser Plan so komplex und hing von so vielen Unwägbarkeiten ab, dass wir eine gehörige Portion Glück brauchten, einen Schutzengel wirklich, den guten Gott der Dreharbeiten, der seine Hand schützend über uns hielt, weil er wollte, dass das hier funktioniert. Wenn nur ein Teil unseres Planes schief lief, lief alles schief. Da konnten wir so gut geplant haben, wie wir wollten. Alle wollen die Welt besser machen, aber niemand interessanter, hin oder her. Dann waren wir fällig. Ob das merkwürdig war oder nicht.
Aber nicht nur das. Schwer war es vor allem auch wegen eines Flohsacks voll weiterer Probleme. Der durchschnittliche Fernsehzuschauer beim ZDF ist einundsechzig Jahre alt. Das konnte man hier sehen. Von den Zuschauern im Studio waren nur wenige unter fünfzig.
Es ging noch nicht los, war schon ein Mann in der Reihe hinter uns eingeschlafen. Draußen auf der Straße war es windig und kalt, hier im Studio durch die vielen Scheinwerfer jedoch schön warm, so dass es nicht lange dauerte, bis er selig weggeschlummert war. Als ihn seine Frau anpuffte, schreckte er hoch mit einem lauten Japsen, und wollte sie sich schon vornehmen wie bei Ihnen zuhause im Wohnzimmer, warum sie ihn nicht einfach hatte schlafen lassen, bis ihm wieder einfiel, wo er eigentlich war.
Das jedoch war typisch, kein Ausreißer. Was mir vor allem auffiel, war, wie unsere Mit-Zuschauer angezogen waren. Sie trugen das übliche Sortiment der verdächtigen Versandhäuser. Von 1992. Ich sah Strickpullover mit angenähten Schals, Hosen in smaragdgrün, Blusen mit großen Blumenmustern und Hemden mit Stehkrägen. Allerdings zeigte das Sortiment kaum Gebrauchsspuren. Vielmehr wirkte es so, als ob ihre Besitzer, anstatt es zur Altkleider-Sammlung zu geben, es speziell zu diesem Anlass noch einmal hervorgeholt hatten, um angemessen angezogen zu sein. Sie waren ja beim ZDF.
Absichtlich hatten wir Karten für eine der hinteren Reihen bestellt, aber die Frau, die die Sitze anwies, wusste um die Kleiderlücke. Sie versuchte uns mit aller Überzeugungskraft in eine der vorderen Reihen zu nötigen. Die kommen öfter mal ins Bild. Das wollten wir jedoch natürlich auf keinen Fall, und so musste sie andere Leute unter siebzig herauspicken, die sie auf die vorderen Plätze setzte.
Was war hier eigentlich los? Was war mit den Hamburger Pfeffersäcken passiert? Der einst reichsten Stadt Europas? Oder war das nur das Fernsehen, das ZDF, das solche Leute anzog? War es das?
Das meinte ich mit: Das wird schwer werden. Wer wollte solche Leute verspotten? Ging das überhaupt? Und viel wichtiger: Wer wollte sich anschauen, wenn solche Leute verspottet werden? Denn das hatten wir ja vor. Unsere Mit-Zuschauer waren alt und tot. Auf jeden Fall konnte man nur schwer argumentieren, dass sie lebten. Über Tote redet man nicht schlecht. Geschweige denn, dass man sie verspottet. Konnte das gut gehen? Ich hatte meine Zweifel.
Aber dann wiederum gaben uns diese Zuschauer
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