Schoenhauser Allee
Gläser bei sich. Sie hieß Nikita und machte jedem, der sie darum bat, einen Tequila Bum-Bum, dabei sang sie lustige Melodien. Die ganze Kneipe war scharf auf sie: »Nikita Bum-Bum, Nikita Bum-Bum«, schrien alle. Ich war von der Idee auch begeistert und trank einen Bum-Bum nach dem anderen.
Spät in der Nacht lernte ich dann den Spion kennen, der auch schon mindestens acht Bum-Bums hinter sich hatte. Er war ein älterer Russe Mitte fünfzig und stellte sich mir als Boris vor. Ich erfuhr, er wäre früher Beamter im sowjetischen Außenhandel gewesen, dann hätte er sich in eine Französin verliebt und beschlossen, in Frankreich zu bleiben. Die Frau fuhr ihn aus Paris raus und versteckte ihn in ihrem Haus bei Nizza. Bald entpuppte sie sich aber als Mitarbeiterin des französischen Geheimdienstes. Er verfluchte sie und ging, konnte aber nicht mehr zurück. Nun arbeitete Boris für Interpol und musste andere Russen ausspionieren, zum Teil sogar seine ehemaligen Kollegen, die sich inzwischen selbstständig gemacht hatten und auf eigene Faust Handel trieben. Boris hatte vor kurzem eine Schussverletzung erlitten, als er in einer Kneipe in Budapest ein Mafia-Treffen belauschen sollte. Er war von einem Ex-Kollegen erkannt worden. Die Kugel streifte ihn am Bein. Er machte seine Hosen auf, damit ich die Narbe sehen konnte. Daraufhin wurden wir sofort von zwei Franzosen angesprochen, die darum baten, bei unserem Spiel mitmachen zu dürfen. Die Narbe war klein und unauffällig. Einer der Franzosen machte ebenfalls seine Hosen auf – seine Narbe war viel größer. Boris und ich verließen gedemütigt die Kneipe und kauften noch eine Flasche Tequila an der Ecke. Ich wusste nicht genau, ob Boris ein Spinner war oder doch zum Teil die Wahrheit gesagt hatte. Es gibt bestimmt eine Menge Spinner, die für Interpol arbeiten. Als Andenken an unsere Begegnung schenkte er mir seine Waffe, eine Browning, die ich zwei Tage mit mir herumtrug. Kurz vor der Abreise schenkte ich die Knarre jedoch weiter an meinen Freund, einen russischen Maler, der auf dem Montmartre Passanten porträtierte und gerade Probleme mit der dortigen Konkurrenz hatte.
Mein neuer Freund Alex vom Kollwitzplatz arbeitete nicht für Interpol, sondern für die CIA, und er trank nicht. Sein voller Name lautete Alexander Ikonew. Er war der Sohn des berühmten Generals, der lange Zeit die Abteilung der Luftabwehrspionage geleitet hatte und vor ein paar Jahren in Rente gegangen war. Alex war Codierer, eigentlich ein ganz normaler Computerspezialist, der für die technische Abteilung der russischen Luftspionage arbeitete. Eines Tages war er heimlich nach Deutschland gefahren, um hier die CIA aufzusuchen und sich zu verkaufen. Alex wollte, dass seine Familie – er hatte eine Frau und ein Kind – die Greencard bekämen und nach Amerika verfrachtet würden. Dort wollte er bei einer Computerfirma in Kalifornien angestellt werden. Dafür bot Alex der CIA alle Programme an, mit denen die russischen Geheimcodes geschrieben wurden. Als wir uns kennen lernten, hatte Alex nicht viel zu tun. Er wohnte in einem Hotel und wartete auf den Mann aus dem Stabsquartier der CIA, einen Psychologen, der eine Art Gesichtskontrolle bei Alex durchführen sollte. Die Amerikaner wollten erst mal feststellen, ob er es ehrlich meinte und nicht womöglich von den Russen als Köder eingesetzt wurde. Alex verfiel der Langweile und sehnte sich nach russischer Gesellschaft. Er bekam von den Amerikanern zweitausend Mark im Monat für seine Unterkunft. Als er erfuhr, dass ich allein in einer Zweizimmerwohnung lebte, erkundigte er sich, ob ich ihm ein Zimmer für tausend Mark untervermieten würde. Ich hatte nichts dagegen. Damals zahlte ich nur insgesamt 200,– DM an die Wohnungsbaugesellschaft. Die amerikanischen Arbeitgeber von Alex hatten dann auch nichts dagegen, und so zog er bei mir ein – mit drei Laptops. Die Amerikaner hatten ihm außerdem einen BMW zur Verfügung gestellt und gaben ihm ein dickes Taschengeld. Aber er führte ein bescheidenes Leben, gegen Frauen und Alkohol war er völlig immun. Das Komische an Alex war, er sah aus wie ein echter CIA-Mann aus dem Film. Deswegen lachten alle meine Freunde jedes Mal, wenn ich ihnen meinen neuen Mitbewohner als Spion vorstellte. Die Bezeichnung »Spion« setzte sich schnell als sein Spitzname durch.
Bald erfuhr Alex, dass der Mann aus Washington eingetroffen sei. In der Nacht vor seiner »Prüfung« konnte er nicht schlafen. Als ich in sein Zimmer
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