Schoenhauser Allee
sein, aber ein wunderbarer Autor.
»So sind sie also, die russischen Partisanen«, sagte Helmut zu mir auf dem Rückweg.
»So sind sie«, bestätigte ich.
Das Geschäftsleben auf der Schönhauser Allee
Die multinationalen Unternehmen vertreiben die Einzelhändler aus der Schönhauser Allee. Doch immer wieder finden sich mutige Geschäftsleute, die in den hoffnungslosen Kampf gegen die Großkonzerne ziehen. An der Stelle der Läden, die gerade Pleite gegangen sind, eröffnen sofort neue. Die waghalsigsten und dynamischsten sind bei uns an der Ecke zum einen der »Überraschungsbasar – alles billig«, der von einer jugoslawischen Großfamilie geführt wird, und zum anderen, genau gegenüber, »Allerlei – toll und preiswert«: ein Laden, der Vietnamesen gehört. Der Überraschungsbasar zog vor einem Jahr in die großen Räume des Einrichtungshauses »Deutsche Küchen«, das nicht einmal sein Sonderangebot – eine per Hand gefertigte Küche für lausige 50000,- DM – loskriegen konnte und folglich Pleite ging. Nun überraschen die Jugoslawen ihre Kunden dort mit einem immer größer werdenden Sortiment. Und alles kostet 99 Pfennig. Ich lasse mich auch immer wieder gerne überraschen, beispielsweise von Messern, die gleich im ersten Brötchen stecken bleiben, von kinderfreundlichen Feuerzeugen, die nicht zünden, von Taschen, die sofort auseinander fallen, und von geruchlosem Parfüm – im Sonderangebot »20 Liter, 100 Mark«. Ich kenne keinen anderen Laden, der für so wenig Geld so viel Einkaufsspaß bietet.
Selbst die neu eröffnete Apotheke nebenan, die ihre Kundschaft mit immer aberwitzigeren Werbeaktionen lockt, verblasst dagegen. Der Pharmazeut vertraut auf das Prinzip des Erschreckens: Seine lauten Schaufensterplakate mit zerquetschten Menschen drauf und Überschriften wie »Sauerstoff für Ihr Gehirn«, »Schluss mit dem Jo-Jo-Effekt« und »Schlank für immer« können zwar manch einem Passanten Angst einjagen, aber zwingen doch nicht so richtig zum Kauf.
Der vietnamesische »Allerlei«-Laden eröffnete vor ein paar Monaten in den Räumen des Pleite gegangenen Billiganbieters »Rudis Resterampe«, der der Konkurrenz zum Überraschungsbasar nicht würdig war. Die Stille des neuen asiatischen Ambientes wird nur selten durch die Anwesenheit zufällig hereingeplatzter Kunden gestört. Wenn das Sortiment des »Überraschungsbasars« von der Notwendigkeit bestimmt ist, dann steht das Angebot des »Allerlei« für reine Geistigkeit. Die scheinbar willkürliche Zusammenstellung aus künstlichen Blumengirlanden, Straußenfedern zum Saubermachen, einer Wanduhr mit Ballerinen aus Plastik, unzähligen Schweinen, Kühen und Rosen aus Glas und Porzellan, die übergroßen Porträts von Kleinhunden und Zigeunerkindern mit verheulten Augen spiegelt ein irres und undurchsichtiges Bild der asiatischen Marktwirtschaft wider. Ein Normaldeutscher, der an einem solchen Geschäft vorbeigeht, zuckt nur mit den Schultern und sagt »Geldwäscherei« dazu. Die Vietnamesen reagieren auf solche Sprüche gelassen. »Mach's besser, du Klugscheißer«, steht in ihren mondförmigen höflichen Gesichtern geschrieben.
Neulich gab der letzte »Lindner«-Laden an der Schönhauser Allee den Geist auf, der mit dem Spruch »Bei uns wird die Butter noch mit der Hand gemacht« warb. Gleich am nächsten Tag sah ich einen Karton im Schaufenster stehen mit der Aufschrift: »Hier eröffnet demnächst eine russische Balalaika-Bar. Ihr Petrov.« Das geht bestimmt auch nicht lange gut, dachte ich und lief weiter. Schon am nächsten Tag stand ein anderer Karton in demselben Schaufenster: »Hier eröffnet demnächst eine vietnamesische Currystation. Ihr Pin-Chuj-wan.« Einige meiner Nachbarn hielten das schlicht für einen Witz der Renovierungsbrigade, aber ich weiß: Der Kampf gegen die Großkonzerne geht weiter.
Die Macht des Entertainments
Die »Schönhauser Arcaden« feierten ihren ersten Geburtstag. Ein komplettes Unterhaltungsprogramm rund um die Öffnungszeiten wurde angeboten, überall lief Musik und blühten tropische Pflanzen, die völlig echt aussahen. Ein erschöpfter Clown mit einem Haufen Luftballons versuchte den Kindern zu erklären, dass er eigentlich schon seit zwei Stunden Feierabend hätte. Die Kinder umzingelten ihn und ließen ihn nicht gehen. Selbst nach Arbeitsschluss bleibt ein Clown – ein Clown. Einige Schritte weiter, kurz vor dem »Kaiser's«-Eingang, hielten zwei Frauen in Lederhosen eine große Pythonschlange hoch.
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