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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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ich mir hier unnütz die Hosen durchscheuern – ich habe tüchtige Verwalter, die machen alles ohne mich. Bei einem so großen Unternehmen muß man nur eines können – die richtigen Leute finden. Wenn man die hat, kann man sich auf die Bärenhaut legen, dann läuft die Sache von selbst.«
    »Waren Sie unlängst in E-England?«
    »Ich bin häufig in Leeds und in Sheffield. Ich habe dort Fabriken. In London schaue ich bei der Börse vorbei. Das letzte Mal war ich im Dezember dort. Danach in Paris, und zum Dreikönigsfest bin ich nach Moskau zurückgekehrt. Warum fragen Sie nach England?«
    Fandorin senkte ein wenig die Wimpern, um den Glanz in seinen Augen zu löschen. Er pflückte einen Fussel von seinem Ärmel und sagte akzentuiert: »Ich nehme Sie wegen Leichenschändung in Arrest. Vorerst auf administrativem Weg, gegen Morgen w-wird auch der Haftbefehl des Staatsanwalts da sein. Kaution kann nicht vor morgen mittag gestellt werden. Sie kommen mit mir, Ihre Gäste können nach Hause fahren. Der Besuch im Bordell fällt aus. Wozu rechtschaffene Ärzte in V-Verruf bringen. Und die Puppen können Sie in der Arrestzelle tanzen lassen.«
     
    Zum Dank für das gerettete Mädchen hatte ich in der Nacht einen Traum.
    Mir träumte, daß ich vor Gottes Thron stehe.
    »Setz dich mir zur Linken«, sagt der Himmlische Vater zu mir. »Ruh dich aus, du bringst den Menschen Freude und Erlösung, und das ist schwere Arbeit. Unverständig sind sie, meine
Kinder. Das Schwarze sehen sie für weiß an und das Weiße für schwarz; das Elend für Glück, und das Glück für Elend. Wenn Ich aus Barmherzigkeit einen von ihnen im Säuglingsalter zu Mir berufe, beweint und beklagt man den Abberufenen, statt sich für ihn zu freuen. Wenn Ich einen von ihnen bis zu hundert Jahren am Leben lasse, bis zum körperlichen Verfall und zum geistigen Erlöschen, den übrigen zur Strafe und Belehrung, dann sind sie nicht entsetzt über sein schreckliches Los, sondern beneiden ihn. Nach einer mörderischen Schlacht freuen sich die von Mir Verworfenen, selbst wenn sie Verwundungen erlitten, und die Gefallenen, die Ich vor Mein Angesicht berufen, werden bedauert und im stillen sogar als Pechvögel verachtet. Doch sie sind die wahrhaft Glücklichen, denn sie sind schon bei Mir; zu bedauern ist, wer noch bleiben muß. Was soll Ich mit den Menschen machen? Sage es mir, du gute Seele. Wie sie zur Einsicht bringen?«
    Und ich bekam Mitleid mit dem Herrgott, der vergeblich nach der Liebe seiner unverständigen Kinder dürstet.

Der Triumph Plutos
    6. April, Gründonnerstag
    Jetzt war Anissi dem Untersuchungsführer Ishizyn beigeordnet.
    Nach der gestrigen »Bilanz« spätabends, als sich herausgestellt hatte, daß es nun mehr Verdächtige als erwartet gab, war der Chef im Kabinett auf und ab gegangen, hatte mit dem Rosenkranz geklackert und gesagt: »Na schön, Tulpow. Der Morgen ist klüger als der Abend. Gehen Sie nach Hause, Sie waren heute v-viel auf den Beinen.«
    Anissi hatte folgende Entscheidung erwartet: Stenitsch, Neswizkaja und Burylin (nach seiner Freilassung) insgeheim beobachten lassen, alle ihre Aktivitäten im vergangenen Jahr überprüfen und vielleicht noch ein Experiment machen.
    Aber nein, der unberechenbare Chef hatte anders entschieden. Als Anissi am Morgen, im tristen Nieselregen fröstelnd, in die Kleine Nikitskaja kam, übergab ihm Masa eine Nachricht:
     
    Ich tauche für einige Zeit unter und versuche es vom anderen Ende her. Sie arbeiten solange mit Ishizyn zusammen. Ich fürchte, daß er aus übermäßigem Eifer Fehler macht. Er ist zwar ein wenig angenehmes Subjekt, aber hartnäckig, und ehe man sich’s versieht, hat er etwas ausgeschnüffelt.
    E. F.
     
    Na so was. Von welchem »anderen Ende her«?
     
    Anissi fand den hochwichtigen Untersuchungsführer nicht. Er rief in der Staatsanwaltschaft an und bekam die Auskunft: »Er mußte zur Gendarmerieverwaltung.« Daraufhin ließ er sich mit der Gendarmerieverwaltung verbinden und erhielt die Antwort: »Er ist in einer dringenden Angelegenheit unterwegs, die keiner telephonischen Erörterung unterliegt.« Die Stimme des Diensthabenden vibrierte derart, daß Anissi erriet – ein neuer Mord. Eine Viertelstunde später kam von Ishizyn ein Bote – der Polizist Linkow. Er hatte den Kollegienrat nicht zu Hause angetroffen und erschien nun bei Anissi in der Granatny-Gasse.
    »Ein grauenhafter Vorfall, Euer Wohlgeboren«, meldete er, aufs höchste erregt. »Die unmenschliche Tötung

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