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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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ein Mediziner konnte all diese Scheußlichkeiten begehen!«
    Ishizyn lächelte siegesgewiß.
    »Das ist eben Fandorins Irrtum! Mich hat diese Hypothese von Anfang an peinlich berührt. So was ist un-mög-lich«, sagte er akzentuiert. »Einfach unmöglich, und basta. Wenn ein Mensch aus guter Gesellschaft pervers veranlagt ist, läßter sich etwas Subtileres einfallen als diese Widerwärtigkeiten.« Er nickte in Richtung Seziersaal. »Denken Sie an Marquis de Sade. Oder nehmen wir die vorjährige Geschichte mit dem Notarius Schiller, erinnern Sie sich? Er hat die junge Frau betrunken gemacht, bis sie bewußtlos war, hat ihr eine Stange Dynamit in eine gewisse Stelle gesteckt und die Lunte gezündet. Man sieht gleich, ein gebildeter Mensch, wenn auch ein Ungeheuer, natürlich. Aber zu den Abscheulichkeiten, mit denen wir hier zu tun haben, ist nur Plebs fähig, Gesindel. Und was die Kenntnisse der Anatomie und die chirurgische Fertigkeit angeht, so läßt sich das sehr einfach erklären, meine Herren Schlauberger.«
    Er machte eine Pause, hob um des höheren Effekts willen den Finger und flüsterte: »Ein Fleischer! Der kennt sich mit der Anatomie nicht schlechter aus als ein Chirurg. Jeden Tag, den Gott werden läßt, trennt er Leber, Magen, Nieren mit filigraner Präzision heraus, genauso gut wie der verstorbene Herr Pirogow 1 . Und die Messer eines guten Metzgers sind nicht stumpfer als ein Skalpell.«
    Anissi schwieg erschüttert. Der unangenehme Mensch Ishizyn hatte recht! Wie hatten sie bloß die Fleischer außer acht lassen können!
    Ishizyn war mit der Reaktion seines Gesprächspartners zufrieden.
    »Und nun zu meinem Plan.« Er trat wieder an die Karte. »Offenbar haben wir es mit zwei Herden zu tun. Die ersten beiden Leichen wurden hier entdeckt, die beiden letzten – da. Warum der Verbrecher die Örtlichkeit gewechselt hat, wissen wir nicht. Vielleicht dachte er, daß es sich im nördlichen Moskaubesser meucheln läßt als im Zentrum: mehr Ödflächen und Büsche, weniger Häuser. Jedenfalls nehme ich alle Fleischer unter Verdacht, die in den beiden uns interessierenden Gegenden wohnen. Ich habe schon eine Liste.« Er holte ein Verzeichnis hervor und legte es vor Anissi auf den Tisch. »Insgesamt siebzehn Personen. Richten Sie Ihr Augenmerk auf diejenigen, die mit einem sechseckigen Stern oder einem Halbmond gekennzeichnet sind. Zum Beispiel hier im Tatarenviertel. Die Tataren haben ihre eigenen Fleischer, durchweg Räuber. Ich erinnere daran, daß es von dem Schuppen, in dem die Andrejitschkina gefunden wurde, bis zum Tatarenviertel ein Kilometer ist. Bis zum Bahnübergang, wo das Mädchen ohne Gesicht gefunden wurde, ist es genauso weit. Und hier«, der lange Finger wanderte über die Karte, »in unmittelbarer Nähe der Trjochswjatski- und der Swinjin-Gasse, ist die Synagoge. Gleich daneben sind die Schächter zugange, gräßliche Jiddenfleischer, die das Vieh nach ihrem barbarischen Brauch zu Tode bringen. Haben Sie nie gesehen, wie das gemacht wird? Es erinnert sehr an die Arbeit unseres Freundes. Spüren sie, Tulpow, wonach das riecht?«
    Nach den geblähten Nüstern des hochwichtigen Untersuchungsführers zu urteilen, roch es nach einem donnernden Prozeß, nach grandiosen Auszeichnungen und schwindelerregender dienstlicher Beförderung.
    »Tulpow, Sie haben das Leben noch vor sich. Ihre Zukunft liegt in Ihren eigenen Händen. Sie können sich an Fandorin halten und das Nachsehen haben. Sie können aber auch der Sache förderlich sein, und dann werde ich Sie nicht vergessen. Sie sind ein verständiger, anstelliger junger Mann. Solche Gehilfen kann ich brauchen.«
    Anissi öffnete schon den Mund, um dem Frechling dienötige Abfuhr zu erteilen, aber Ishizyn war mit seiner Rede noch nicht zu Ende.
    »Von den siebzehn uns interessierenden Fleischern sind vier Tataren und drei Juden. Sie sind die Hauptverdächtigen. Um aber dem Vorwurf der Voreingenommenheit zuvorzukommen, lasse ich alle einsperren. Dann werde ich gründlich mit ihnen arbeiten. Gott sei Dank habe ich Erfahrung.« Er lächelte raubgierig und rieb sich die Hände. »Folgendermaßen. Zuerst werde ich die Heiden mit gesalzenem Fleisch füttern, denn die Fasten der Rechtgläubigen gelten für sie nicht. Schweinefleisch werden sie nicht fressen, also lasse ich sie mit Rindfleisch traktieren, wir achten ja fremde Gebräuche. Den Rechtgläubigen kredenze ich Salzheringe. Zu trinken bekommen sie nichts. Schlafen dürfen sie auch nicht. Sie werden

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