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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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»Sie werden bald selbst sehen, was für eine Type das ist.«
    Die beleuchtete Auffahrt der Burylinschen Villa, deren Vorderfront auf den Fluß blickte, war von weitem zu sehen. Sie überstrahlte mit hellen, bunten Lichtern das dunkle Kaufmannsviertel an der Uferstraße, wo man sich während derGroßen Fasten früh schlafen legte und ohne Notwendigkeit kein Licht anzündete. Das Haus war groß, erbaut in einem häßlichen maurisch-gotischen Stil: einerseits spitze Türmchen, Chimären, Greife, andererseits Flachdach, runde Kuppel über der Orangerie und minarettähnlicher Turm.
    Vor der durchbrochenen Umzäunung drängten sich Gaffer, starrten auf die festlich erhellten Fenster und sagten mißbilligend: In der Karwoche, der letzten Woche der vierzigtägigen Fasten solche Ausschweifung. Aus dem Haus drang das gedämpfte Wimmern von Zigeunergeigen, Gitarrenspiel, Schellenklang, Gelächter und von Zeit zu Zeit ein dumpfes Gebrüll.
    Sie traten ein, überließen die Mäntel den Türstehern, und hier erwartete den Kollegienrat eine Überraschung: Unter dem bis oben zugeknöpften schwarzen Mantel des Arztes kamen Frack und weiße Krawatte zum Vorschein.
    Auf den verblüfften Blick Fandorins sagte Sacharow mit schiefem Lächeln: »Tradition.«
    Sie stiegen die breite Marmortreppe hinauf. Lakaien in himbeerfarbener Livree rissen die hohen vergoldeten Türen auf, und Fandorin erblickte einen geräumigen Saal, vollgestellt mit Palmen, Magnolien und anderen exotischen Pflanzen in Kübeln. Der letzte Schrei der europäischen Mode – aus dem Salon eine Art Dschungel zu machen. »Die hängenden Gärten der Semiramis« hieß das. Nur sehr Wohlhabende konnten sich so etwas leisten.
    In diesem Paradiesgarten hatten es sich die Gäste bequem gemacht – alle wie Sacharow in schwarzem Frack mit weißer Krawatte. Fandorin war nicht ohne Schick gekleidet – beigefarbenes Sakko, zitronengelbe gemusterte Weste, vorzüglich geschneiderte Hose mit scharfer Bügelfalte –, fühlte sich aberin dieser schwarz-weißen Versammlung wie verkleidet. Sacharow hätte ihn ja auch darauf vorbereiten können.
    Übrigens, selbst wenn Fandorin einen Frack getragen hätte, wäre er unter den Gästen aufgefallen, denn es waren nicht viele, etwa ein Dutzend. Im wesentlichen hatten die Herren ein manierliches und sogar wohlanständiges Aussehen, obwohl sie keineswegs alt waren – um die Dreißig, vielleicht ein bißchen darüber. Die Gesichter waren erhitzt und vom Wein gerötet, und einige machten einen derangierten Eindruck, wahrscheinlich erlebten sie nicht oft eine solche Lustbarkeit. Am anderen Ende des Saals war eine vergoldete geschlossene Tür zu sehen. Von dort kamen Geschirrgeklapper und Laute eines probenden Zigeunerchors. Offenbar wurde dort ein Bankett vorbereitet.
    Die Neuankömmlinge platzten in den Höhepunkt einer Rede, gehalten von einem kahlköpfigen Herrn mit Bauchansatz und goldenem Zwicker.
    »Sensinow war unser Primus. Er ist schon ordentlicher Professor«, raunte Sacharow, wohl nicht ohne Neid.
    »… erinnert man sich an die Streiche in jenen denkwürdigen Tagen. Damals, vor sieben Jahren, war es auch in der Karwoche, so wie jetzt.« Der Professor verstummte und schüttelte betrübt den Kopf. »Wie heißt es so schön: Wer Vergangenem nachhängt, dem reiße man ein Auge aus, doch wer die Vergangenheit vergißt, dem reiße man beide aus. Oder: Alles nimmt einmal ein Ende. So ist es auch. Wir sind älter geworden, in die Breite gegangen, haben Fett angesetzt. Wie gut, daß wenigstens Kusma noch der alte Tausendsassa ist, der uns langweilige Äskulaps ab und zu auf Trab bringt.«
    Alle lachten und wandten sich einem stattlichen Mann zu, der in einem Sessel saß, ein Bein übers andere geschlagen, undWein aus einem riesigen Pokal trank. Das mußte Kusma Burylin sein. Ein kluges, galliges Gesicht von tatarischem Zuschnitt – breit, mit hohen Backenknochen und eigensinnigem Kinn. Die kurzgeschnittenen schwarzen Haare standen hoch wie Igelborsten.
    »Alles nimmt ein Ende, aber für den einen ein gutes, für den andern ein böses«, sagte ein Langhaariger mit ausgemergeltem Gesicht, der von den anderen abstach. Er trug auch einen Frack, aber eindeutig einen ausgeliehenen, und statt eines gestärkten Hemdes ein Chemisett. »Du, Sensinow, bist mit heiler Haut davongekommen. Ein Liebling der Obrigkeit. Andre hatten weniger Glück. Tomberg hat Delirium tremens, Stenitsch soll nicht mehr ganz richtig im Kopf sein, Sozki ist als Sträfling

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