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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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FürstenWladimir Dolgorukoi eine außerordentliche Sitzung statt, in Anwesenheit des gerade erst aus der Hauptstadt eingetroffenen Innenministers Graf Tolstow und seiner Suite.
    Der berühmte Kämpfer gegen das revolutionäre Unwesen hatte ein gedunsenes gelbes Gesicht, unter den durchdringenden kalten Augen hing ungesunde Haut in leblosen Falten, aber die Stimme war wie aus Stahl geschmiedet, unbeugsam, gebieterisch.
    »… In meiner Eigenschaft als Innenminister enthebe ich Generalmajor Jurowski seines Amtes als Moskauer Oberpolizeimeister«, sagte der Graf prononciert, und den anwesenden Polizei-Oberen entrang sich ein Stöhnen.
    »Den Herrn Bezirksstaatsanwalt kann ich nicht suspendieren, denn er untersteht der Justizbehörde, aber ich empfehle Seiner Exzellenz dringlich, umgehend um seine Versetzung in den Ruhestand zu ersuchen und damit der Entlassung zuvorzukommen …«
    Staatsanwalt Kosljatnikow erbleichte und bewegte lautlos die Lippen, und seine Gehilfen rutschten auf ihren Stühlen hin und her.
    »Was Sie angeht, Wladimir Andrejewitsch«, der Minister fixierte den Generalgouverneur, der dieser Strafpredigt mit zusammengezogenen Brauen lauschte, die Hand um die Ohrmuschel gelegt, »so maße ich mir natürlich keine Ratschläge an, aber ich bin bevollmächtigt, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß der Imperator Ihnen seine Unzufriedenheit mit dem Stand der Dinge in der Ihnen anvertrauten Stadt ausspricht. Mir ist bekannt, daß Seine Majestät die Absicht hatten, Sie in Anbetracht Ihres bevorstehenden sechzigjährigen Offiziersjubiläums mit dem höchsten Orden des russischen Imperiums und einer brillantbesetzten Schatulle mit dem Monogrammdes allerhöchsten Namens auszuzeichnen. Aber nun, Euer Erlaucht, ist der Ukas nicht unterzeichnet worden. Und wenn Seine Majestät von dem empörenden Verbrechen erfahren, das vergangene Nacht geschah …«
    Der Graf machte eine vielsagende Pause, und im Kabinett wurde es mucksmäuschenstill. Die Moskauer erstarrten, denn ein eisiger Luftzug wehte durchs Zimmer und kündigte das Ende einer Großen Epoche an. Seit fast einem Vierteljahrhundert regierte Wladimir Dolgorukoi die alte Hauptstadt, der Zuschnitt des Moskauer Beamtenlebens richtete sich seit langem nach ihm aus, ordnete sich seinem harten Griff unter, der jedoch die Behaglichkeit des Lebens nicht einschränkte. Nun sah es so aus, daß seine Zeit zu Ende ging. Der Oberpolizeimeister und der Bezirksstaatsanwalt waren ohne Sanktion des Moskauer Generalgouverneurs aus dem Amt gejagt worden, das hatte es noch nicht gegeben! Es war ein sicheres Zeichen dafür, daß auch Dolgorukoi die letzten Tage, vielleicht nur Stunden auf seinem hohen Posten saß. Und es konnte nicht ausbleiben, daß sich der Sturz des Giganten auf das Schicksal und die Karriere etlicher Anwesender auswirken würde, darum wurde der Unterschied im Gesichtsausdruck der Moskauer und Petersburger Würdenträger noch deutlicher.
    Dolgorukoi nahm die Hand vom Ohr, kaute auf den Lippen, sträubte den Schnurrbart und fragte: »Und wann, Euer Erlaucht, wird Seiner Majestät von dem empörenden Verbrechen berichtet werden?«
    Der Minister verkniff die Augen und versuchte den Hintersinn dieser auf den ersten Blick treuherzigen Frage zu ergründen.
    Als er ihn ergründet hatte, grinste er kaum merklich.
    »Wie gewöhnlich vertieft sich der Imperator am Karfreitagmorgen ins Gebet, und die Staatsgeschäfte, bis auf die allerdringlichsten, werden bis Sonntag aufgeschoben. Ich werde meinen untertänigsten Bericht übermorgen Seiner Majestät vortragen, vor dem Ostermahl.«
    Der Gouverneur nickte befriedigt.
    »Die Ermordung des Hofrats Ishizyn und seines Dienstmädchens dürfte bei aller Ungeheuerlichkeit kaum zu den allerdringlichsten Staatsgeschäften zählen. Sie, Dmitri Andrejewitsch, werden doch Seine Majestät nicht wegen solch einer Schändlichkeit vom Gebet ablenken? Dafür würde man Ihnen bestimmt nicht den Kopf streicheln, oder?« fragte der Gouverneur mit unverändert naiver Miene.
    »Das werde ich nicht.«
    Der aufgezwirbelte, angegraute Schnurrbart des Ministers zuckte in einem ironischen Lächeln.
    Der Gouverneur stieß einen Stoßseufzer aus, straffte sich, holte die Tabakdose hervor und schob sich eine Prise Tabak in die Nase.
    »Nun, bis Sonntagmittag, das versichere ich Ihnen, ist der Fall abgeschlossen, aufgeklärt und der Verbrecher überführt. Ha-tschi!«
    Auf den Gesichtern der Moskauer erblühte zaghafte Hoffnung.
    »Gesundheit«, sagte

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