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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Goldzahn.
    Das Mädchen raffte augenblicklich die Röcke und rannte aus Leibeskräften davon, und der flegelhafte Zuhälter sagte mit der Stimme Fandorins: »Hören Sie auf zu pfeifen, Tulpow. Da f-fallen einem ja die Ohren ab.«
    Schnaufend und mit seiner Waffe klirrend, kam der Polizist Semjon Sytschow angerannt.
    Der Chef hielt ihm einen halben Rubel hin und sagte: »Gut gemacht, du rennst schnell.«
    Semjon nahm nicht die Münze von dem verdächtigen Mann und blickte fragend zu Anissi.
    »Ist schon in Ordnung, Sytschow, du kannst gehen, mein Guter«, sagte Anissi verwirrt. »Entschuldige, daß ich dich umsonst beunruhigt habe.«
    Da erst nahm Sytschow den halben Rubel, salutierte aufs respektvollste und kehrte auf seinen Posten zurück.
    »Schläft Angelina noch nicht?« fragte Fandorin und schaute zu den erleuchteten Fenstern des Seitenflügels.
    »Nein, sie wartet auf Sie.«
    »Dann gehen wir noch ein bißchen spazieren, wenn Sie nichts dagegen haben, und r-reden.«
    »Chef, was ist das für eine Maskerade? Auf dem Zettel stand, daß Sie es vom anderen Ende her versuchen. Was ist damit gemeint?«
    Fandorin warf seinem Assistenten einen mißbilligenden Blick zu.
    »Sie haben eine lange Leitung, Tulpow. ›Vom anderen Ende her‹, das bedeutet, von der Seite der Opfer des Rippers. Ichbin davon a-ausgegangen, daß die leichten Mädchen, die unser Mann besonders zu hassen scheint, mehr wissen als wir. Vielleicht haben sie einen Verdächtigen gesehen, haben etwas gehört, v-vermuten etwas. Darum habe ich mich zu einer Erkundung entschlossen. Mit einem Polizisten oder Beamten reden diese Leute nicht offen, also habe ich eine passende Tarnung gewählt. Ich muß z-zugeben, daß ich in der Rolle des Zuhälters einen gewissen Erfolg hatte«, fügte Fandorin bescheiden hinzu. »Einige gefallene Mädchen haben sich erboten, unter meinen Schutz zu wechseln, was Unzufriedenheit bei den Konkurrenten auslöste, bei Bremse, Kasbek und Hengst.«
    Anissi wunderte sich nicht im geringsten über den Erfolg seines Chefs auf zuhälterischem Gebiet – ein Bild von einem Mann, und dazu nach Chitrowka-Eleganz gekleidet. Laut fragte er: »Haben Sie etwas erfahren?«
    »Nun ja, ein wenig!« antwortete Fandorin fröhlich. »Mamsell Ines, deren Charme Sie wohl nicht g-ganz gleichgültig gelassen hat, erzählte mir eine spannende Geschichte. Vor anderthalb Monaten trat abends ein Mann auf sie zu und sprach die seltsamen Worte: ›Du siehst so traurig aus. Komm mit mir. Ich will dich erfreuen.‹ Aber Ines, ein pfiffiges M-Mädchen, ging nicht mit, denn sie hatte bemerkt, daß er im Näherkommen etwas hinter dem Rücken verbarg, etwas, was im Mondlicht blinkte. Einen ähnlichen Vorfall hatte es noch mit einer Glaschka oder Daschka gegeben. Da floß sogar Blut, aber bis zum Mord ist es nicht gekommen. Ich hoffe, diese Glaschka-Daschka zu finden.«
    »Das ist er, der Ripper!« rief Anissi aufgeregt. »Wie sah er aus? Was erzählt Ihre Zeugin?«
    »Das Dumme ist, daß Ines ihn nicht richtig gesehen hat.Sein Gesicht war im Schatten, und sie erinnert sich nur an seine Stimme. Eine weiche, ruhige, höfliche Stimme. Als ob eine K-Katze schnurrt.«
    »Und die Körpergröße? Die Kleidung?«
    »Daran erinnert sie sich nicht. Nach eigenem Bekenntnis war sie ›angetütert‹. Sie sagt, es war kein vornehmer Herr, aber auch keiner aus Chitrowka, sondern etwas dazwischen.«
    »Aha, das ist doch schon was.« Anissi knickte die Finger ein. »Erstens, doch ein Mann. Zweitens, eine charakteristische Stimme. Drittens, aus der Mittelschicht.«
    »Unsinn«, unterbrach ihn der Chef. »Durchaus möglich, daß er sich für seine nächtlichen A-Abenteuer extra umzieht. Auch die Stimme ist verdächtig. ›Als ob eine Katze schnurrt‹, was heißt das? Nein, eine Frau ist nicht endgültig auszuschließen.«
    Anissi dachte an die Überlegungen Ishizyns. »Aber der Ort! Wo hat er sie angesprochen? In Chitrowka?«
    »Nein, Ines ist ein F-Fräulein aus Gratschowka, und ihr Wirkungskreis ist der Trubnaja-Platz samt Umgebung. Der Betreffende hat sie auf dem Sucharew-Platz angesprochen.«
    »Sucharew-Platz, das kommt auch hin«, überlegte Anissi. »Das sind vom Tatarenviertel zehn Minuten zu Fuß.«
    »Halt, Tulpow, stop.« Der Chef blieb stehen. »Was hat das T-Tatarenviertel damit zu tun?«
    Nun war Anissi an der Reihe zu erzählen. Er begann mit dem Wichtigsten – dem »Untersuchungsexperiment« Ishizyns.
    Fandorin hörte zu und runzelte die Brauen. Einmal fragte er

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