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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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hin, sammeln die Überreste der Kämpfe ein, die noch immer massenweise auf dem Schlachtfeld herumliegen, und nehmen sie als Souvenirs mit nach Hause: Pickelhauben, Mützen, Knöpfe, Patronenhülsen, Granatsplitter, Kartätschenkugeln. Und wer die kleine Tagestour nicht machen kann oder will, für den gibt es authentische Erinnerungsstücke auf diversen Märkten zu kaufen, korbweise, frisch gesammelt.
    Leutnant Simon erzählt von seinen Erlebnissen während der Schlacht und was geschah, als er verwundet wurde. Zu seiner Bestürzung bemerkt Corday, dass die anderen Anwesenden kaum noch zuhören. Es herrscht bereits eine Inflation von Helden und dramatischen Kriegsgeschichten. Und er erinnert sich an die Worte eines Offiziers, dem beide Beine amputiert worden waren: «Ja, im Moment bin ich ein Held, aber in einem Jahr werde ich nur noch ein Krüppel unter vielen sein.»
    Immer noch ist es unmöglich zu sagen, dass man Frieden will. Wer so etwas äußert, erntet unweigerlich Empörung. Die Restaurants sind wieder gut besucht.  6

27.
    Samstag, 6. Februar 1915
    William Henry Dawkins sitzt am Fuß der Pyramiden und schreibt an seine Mutter
     
    «Meine liebe Mutter», beginnt er. «Leider haben wir wegen des Mangels an Postschiffen in dieser Woche keine Briefe bekommen.» Die Postzustellung zu den australischen Truppen in Ägypten ist wirklich unberechenbar. Vor drei Wochen haben sie Briefe erhalten, auf die sie seit November gewartet hatten: Einhundertsechsundsiebzig Säcke trafen ein. Davor: nichts. Dann: zu viel – einige konnten kaum all ihre Briefe beantworten. Jetzt: wieder nichts.
    Aber Dawkins hat Nachricht von zu Hause. Er weiß jetzt, dass dort alle gesund sind, dass die Mutter mit den Zwillingen beim Zahnarzt war, dass die Blumen, die er an eine Freundin zu schicken versucht hat, leider nicht angekommen sind, dass in Australien die Preise steigen. Er selbst ist recht guter Dinge. Doch langsam hat er es satt, die Situation und überhaupt Ägypten; die ständigen Übungen gehen weiter, der erste Sandsturm des Jahres hat sie überrascht. Nach wie vor wissen sie nicht, ob sie nach Europa weiterfahren oder in Ägypten bleiben.
    Der Krieg kommt langsam näher, ist aber noch nicht in Sicht- oder Hörweite. Vor einer knappen Woche entdeckten britische Aufklärungsflugzeuge osmanische Verbände, die sich durch die Wüste Sinai auf den Suezkanal zubewegten, und vor drei Tagen erfolgte der lange erwartete Angriff. Zwei Bataillone mit australischer Infanterie wurden als Verstärkung zum gefährdetsten Punkt geschickt, Ismailia, und bald war der Angriff abgewehrt.  7 Dawkins und viele mit ihm sind geradezu neidisch auf diejenigen, die zum Kanal abmarschierten, und in den Zeilen an die Mutter ist zu ahnen, dass es ihm so ähnlich geht wie dem Fuchs mit den Trauben:
     
Es hat einigen Spektakel gegeben unten am Kanal, aber Du zu Hause wirst ohne Zweifel alle Berichte lesen können und noch mehr dazu. Der Donnerstag war für uns ein bemerkenswerter Tag, weil die ersten zur Verteidigung des Kanals eingeteilten Einheiten abzogen. Es war das 7. und das 8. Bataillon. William Hamilton  8 ist im 7. und auch mein alter Chef, Major McNicholl [sic]. Alle beneideten sie, doch ich bezweifle, dass ihre Zeit dort unten besonders angenehm sein wird, denn es ist ziemlich monoton, auf den Türken zu warten, der ganz gewiss nicht aus besonderem Soldatenstoff gemacht ist.
     
    Er selbst hat die meiste Zeit damit verbracht, Pontonbrücken zu bauen, abzureißen und wegzutransportieren.  9 Heute hatten sie jedoch frei. Zusammen mit einem Offizierskameraden ist er nach Memphis geritten, in die alte Ruinenstadt. Die beiden Riesenstatuen von Ramses   II. haben ihm am meisten imponiert. Er schreibt: «Sie waren prächtig skulpturiert, und es muss Jahre gedauert haben, sie zu vollenden.» Jetzt ist es Abend, und er sitzt in seinem Zelt:
     
Wenn Du diesen Brief bekommst, dürfte die schlimmste Sommerhitze hinter Euch liegen. Ich hoffe, dass es nach der Ernte billiger wird, sich mit Mehl und Weizen zu versorgen. Ich fühle mich ziemlich müde, deshalb schließe ich mit liebevollen Grüßen an alle von Will
Xxxxxxxxx an die Mädchen.

28.
    Freitag, 12. Februar 1915
    Florence Farmborough prüft in Moskau ihre Reisegarderobe
     
    Jetzt hat sie es hinter sich: die sechs Monate in dem privaten Militärlazarett in Moskau, das fleißige Lernen für das Examen als Pflegerin (das Praktische fiel ihr leicht, Probleme bereitete die Theorie in

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