Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)
folgt die Antwort: ein Orkan von Granaten, die vor, über und hinter dem französischen Schützengraben krepieren. Dessen Rand zeichnet sich gegen die sprühenden Feuer der Detonationen ab. Die Luft ist erfüllt von «Schwirren, Heulen und Explosionen». Der Geruch der Sprenggranaten ist beißend.
Mein Herz schlug, ich muss blass gewesen sein und ich bebte vor Angst. Ich zündete eine Zigarette an, weil ich instinktiv annahm, dies würde helfen, meine Nerven zu beruhigen. Ich sah meine Männer, die auf dem Grund des schmalen Schützengrabens saßen, die Tornister über ihren Köpfen, während sie darauf warteten, dass das Trommelfeuer endete.
Arnaud denkt plötzlich, dass die Deutschen vielleicht schon auf dem Weg sind, durchs Niemandsland. Er steigt schnell über die Rücken der liegenden Soldaten, hinüber zu einer Biegung im Schützengraben, von wo man die feindliche Linie überblicken kann. Es kracht, heult und zischt. Endlich dort angekommen, ist er vollauf damit beschäftigt, die Deutschen zu beobachten. «Meine Konzentration auf das, was getan werden musste, befreite mich von meiner Angst.» Er starrt unverwandt auf den Hang, der die deutsche von der französischen Stellung trennt. Nichts.
Langsam verebbt das Artilleriefeuer, verstummt.
Der Staub legt sich. Es ist wieder still. Die Meldungen gehen ein. In der Abteilung neben ihnen sind zwei Soldaten getötet worden, in der Kompanie rechts fünf.
Nach und nach gelingt es Arnaud, sich ein Bild vom Geschehen zu machen. Zwei der Wachtposten waren aus schierer Langeweile auf die Idee gekommen, auf eine Zugvogelformation zu schießen, allem Anschein nach Große Brachvögel auf dem Weg zu ihren Brutplätzen in Skandinavien. Ihre Schüsse hatten einige der übrigen Wachen veranlasst, eine Gefahr zu vermuten, und auch sie begannen zu schießen. Dann dauerte es nur einen Augenblick, bis es im gesamten Schützengraben zu einer Feuerpanik kam. Dieses plötzliche Gewehrfeuer ließ offenbar jemanden auf der deutschen Seite einen bevorstehenden Angriff befürchten, sodass dieser die eigene Artillerie mobilisiert hatte.
Das offizielle Nachspiel erfolgte am Tag danach. Da konnten sie in einem französischen Armeekommuniqué lesen: «Bei Bécourt, in der Nähe von Albert, ist ein deutscher Angriff durch unser Gegenfeuer abgeschmettert worden.» Arnauds Kommentar: «So wird Geschichte geschrieben.»
***
Am selben Tag, dem 28. Februar, schreibt William Henry Dawkins an seine Mutter:
In der Woche bekam ich Deinen vom 26. Januar datierten Brief, und es kann sehr wohl der letzte sein, der mich in Ägypten erreicht, weil wir bald weiterziehen werden. Wohin, weiß niemand. Im Laufe des Tages marschierten die 3. BDE, die 3. Fd Amb, die 1. Fd Coy und die 4. ASC ab nach Alexandria. Und innerhalb der nächsten vierzehn Tage werden wir ihnen folgen. Ich nehme an, dass die Dardanellen unser Ziel sein werden, aber es kann auch irgendwo in Frankreich, der Türkei, Syrien oder Montenegro sein. Auf jeden Fall gibt es einen Ortswechsel, und wir können endlich loslegen.
Und am gleichen Tag schreibt Herbert Sulzbach in sein Tagebuch:
Die französischen Angriffe lassen immer noch nicht nach und ebenso wenig unsere bedrückte Stimmung. Unsere Nerven und Kräfte sind wirklich auch bald verbraucht, denn diese Angriffe und Schlachten im Stellungskampf wirken stärker als solche im Bewegungskrieg. Wo bleibt denn die Verstärkung? Man erzählt sich, dass die erste Garde-Infanteriedivision im Anmarsch ist.
30.
Mittwoch, 3. März 1915
Andrej Lobanov-Rostovskij und der große Schneesturm bei Lomza
Der Winter geht seinem Ende entgegen. Ebenso die deutsche Februaroffensive. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um Phänomene, die sich nie ganz voraussagen lassen, trotz der Gesetze der Meteorologie und der Pläne der Strategen. Als Lobanov-Rostovskijs Regiment zu einem Angriff beordert wird, einem letzten oder vielleicht vorletzten, um irgendwo die Front zu begradigen oder irgendeine bedrohliche Stellung zu eliminieren oder irgendetwas anderes zu tun, das nur auf den Generalstabskarten im Maßstab 1 : 84 000 sinnvoll erscheint, geschieht dies inmitten eines heftigen Schneesturms.
Es ist ein in vieler Hinsicht furchtbarer Winter gewesen hier im nordwestlichen Polen. Hindenburgs letzte Offensive hat keine größere Wirkung erzielt. 11 Die russische Front im nordwestlichen Polen wurde ein wenig hin- und hergeschoben, aber sie hat gehalten.
Andrej
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