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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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gedämpften Explosion.» Auch Arnaud ist fest davon überzeugt, dass dies der Wendepunkt ist. Er verlässt sich auf das, was seine Augen sehen, und auf Joffres Versprechen. In seinem Brief nach Hause ist zu lesen:
     
Unsere Befehlshaber haben uns in einer Art und Weise Erfolge versprochen, dass sie selbst ganz und gar überzeugt sein müssen. Denn wenn wir scheiterten, welche Enttäuschung wäre das, welchen Rückschlag für die Kampfmoral würde das für alle Kämpfenden bedeuten!
     
    Zu den Vorbereitungen zählt auch die Verteilung eines ganz neuen Ausrüstungsgegenstands. Stahlhelme. Sie sind ziemlich leicht und blau angemalt (passend zu den neuen hellen, graublauen Uniformen), oben mit einem kleinen Kamm und vorn mit einer eingeprägten Metallgranate verziert. Genau wie andere Teile der «neuen» Ausrüstung (etwa die Stahlschilde der Schützengräben, die Nagelkeulen der Stoßtrupps und geschliffene Infanteriespaten und all die verschiedenen Typen von Handgranaten) erinnern sie an frühere Jahrhunderte. Die Helme sind in den Schützengräben unbedingt notwendig. Man hat gesehen, dass Kopfverletzungen einen unverhältnismäßig großen Teil der Verwundungen im Kampf ausmachen und viel häufiger tödliche Folgen haben als andere Verwundungen.  56 Wenn die Helme vielleicht auch keiner Gewehrkugel standhalten, so widerstehen sie doch ohne Problem einer Kartätschenkugel. Arnaud und seinen Soldaten fällt es indes schwer, diese Dinger ernst zu nehmen, sie wirken so unmilitärisch: «Wir haben uns gekrümmt vor Lachen, als wir sie anprobierten, als wären es Karnevalshüte.»
    Arnauds Regiment befindet sich in Wartestellung auf der rechten Flanke des Angriffs. Sie liegen in einem Wald. Vor sich können sie einen kleinen, seichten Fluss erkennen. Jenseits des Flusses breitet sich noch ein Wald aus, Bois de Ville. Den kontrollieren die Deutschen, heißt es; sie haben von ihren Gegnern bisher wenig gehört und gesehen. (Wie üblich ist das Schlachtfeld leer.) Und jener Wald ist ihr erstes Ziel; sofern der Hauptangriff die vordersten deutschen Linien gesichert hat. Dann soll die deutsche Verteidigung auf beiden Seiten des Durchbruchs aufgerollt werden. Und wenn die Linien des Feindes erst «eingebrochen» sind, sollen sie «anfangen, den Feind zum Rückzug zu zwingen, mit Unterstützung der Kavallerie» und so weiter. Masse und Gewicht.
    Sie haben das Sturmfeuer jetzt vier Tage verfolgt, und es war wirklich spektakulär:
     
Regelmäßig gingen unsere 155er mit einem gewaltigen Knall am Rand von Bois de Ville nieder. Im Schutz des Hügels hinter uns feuerte eine Batterie von 75ern ihre vier Geschütze ab, eins nach dem anderen, was die Luft vibrieren ließ wie die Schläge von vier Glocken. Die Granaten pfiffen, wenn sie über unsere Köpfe flogen, und dann, nach einem kurzen Schweigen, waren die vier scharf bellenden Geräusche zu hören, wenn sie einschlugen. Wir dachten, dass nach einem derartigen Feuersturm die feindlichen Linien in Schutt und Asche liegen müssten.
     
    Die Uhren ticken. Der Beginn des Angriffs ist auf 9.15 Uhr festgesetzt. Arnaud blinzelt durch den grauen Nieselregen, hinüber zu dem Punkt, an dem, wie er weiß, der erste Angriff einsetzen soll.
    Dann geht es los. Arnaud sieht sehr wenig, nur «schwarze Gebilde, die sich langsam in unterbrochenen Linien vorwärts bewegen». Die Punkte arbeiten sich zu dem ersten deutschen Schützengraben vor, der von Rauch eingehüllt ist. Dann werden auch die Angreifer von der Wolke verschluckt und sind nicht mehr zu sehen.
    Bald verbreiten sich Gerüchte von einem großen Sieg, und dass die Kavallerie einen Durchbruch geschafft hat. Die Begeisterung ist groß. Aber warum erhält Arnauds Regiment keinen Angriffsbefehl? Sie liegen weiter in ihrem Wald und warten. Was ist geschehen?
***
    Drei Tage später, am Dienstag, dem 28. September, werden alle Operationen abgebrochen. Der Angriff ist von der zweiten feindlichen Linie sowie von schnell herbeigeschafften deutschen Reserven gestoppt worden. (Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass Soldaten in Eisenbahnzügen schneller vorankommen als zu Fuß.) Die Franzosen haben ungefähr drei Kilometer gewonnen, zum Preis von über 145   000 Toten, Verwundeten, Vermissten und Gefangenen. Arnauds Regiment braucht nicht gegen den Bois de Ville vorzurücken.

57.
    Donnerstag, 30. September 1915
    Alfred Pollard wird bei Zillebeke verwundet
     
    Was soll er fühlen? Pollard ist deprimiert und verkatert, außerdem beschämt,

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