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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Autoren: Karl Olsberg
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Auswirkungen an anderer Stelle hat, die zu einer Verringerung der Selektionswahrscheinlichkeit führen. Ein neues elektronisches Sicherheitssystem beispielsweise kann die Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs erhöhen und sein Abschneiden in der Pannenstatistik beeinflussen. Ein verbrauchsarmer Motor könnte eine geringere Beschleunigungsleistung zur Folge haben. Mehr passive Sicherheit bedeutet meist mehr Gewicht, was wiederum mehr Benzinverbrauch bewirkt, und so weiter.
    Um solche unvorhergesehenen Nebenwirkungen auszuschließen, müsste man vollständige Information über sämtliche Wirkungszusammenhänge der einzelnen Produktmerkmale haben und außerdem in der Entwicklung vollständig fehlerfrei arbeiten. Es liegt auf der Hand, dass das nicht möglich ist.
    Ein deutlicher Hinweis darauf, dass Produktentwicklung nicht immer sehr zielgerichtet verläuft, ist die Tatsache, dass Produkte oft für einen völlig anderen Zweck entwickelt werden als den, für den sie später benutzt werden.
    -    Als Konrad Zuse den ersten Computer baute, dürfte er kaum gedacht haben: So ein Ding wird irgendwann mal auf jedem Schreibtisch stehen. Erst recht wird er nicht erwartet haben, dass sich seine Erfindung innerhalb eines Menschenalters in Autos, Waschmaschinen und Kinderspielzeug wiederfinden würde.
    -    Das Internet war ursprünglich ein militärisches Informationssystem, das die Nachrichtenübermittlung nach einem sowjetischen Nuklearschlag sichern sollte. Es mutierte dann zu einem Austauschnetz für Wissenschaftler. Erst in der dritten »Generation« wurde das Internet zum globalen Kommunikationsnetz für jedermann und löste unter anderem eine beispiellose Börsenhysterie aus.
    -    Die SMS war gedacht zur Übermittlung technischer Informationen, nicht zum Versand von Liebesbotschaf-ten. Die ursprünglichen Handydesigner hatten wohl kaum daran gedacht, dass die 12 Wähltasten eines Tages zum Schreiben von Briefen verwendet würden. Kein Mobilfunkbetreiber hatte vorausgesehen, dass allein in Deutschland jeden Tag 100 Millionen solcher Kurznachrichten versendet werden.
    -    Der Sinn unterschiedlicher Handy-Klingeltöne war es ursprünglich, dass Handybesitzer ihre klingelnden Handys von denen anderer Besitzer unterscheiden konnten. Niemand konnte ahnen, dass aus dem Verkauf von Klingeltönen ein Geschäft mit einem weltweiten Jahresumsatz von mehreren Milliarden Euro werden würde.
    Ob man diese »Zweckentfremdungen« als Zufallseinflüsse bezeichnen kann, sei dahingestellt. Auf jeden Fall zeigen sie, dass die Mutation von Produkten zu unerwarteten Ergebnissen führen kann.
    Man könnte einwenden, dass die Mutation zwar in Unkenntnis der idealen Anpassungsform erfolgt, dass dabei aber der Zufall keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielt. Doch vieles spricht dafür, dass Zufälle entscheidend zur Entwicklung neuer Ideen und Produkte beitragen.
    Immer wieder wird Erfindern zugeschrieben, dass ihnen bedeutende Einfälle aufgrund der Beobachtung zufälliger Ereignisse gekommen seien. So soll James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine, seine entscheidende Idee bekommen haben, als er zufällig beobachtete, wie der Deckel auf dem Kochtopf seiner Mutter durch den Dampfdruck angehoben wurde und klapperte. Auch diese Geschichte ist, ähnlich wie das obige Tom-Watson-Zitat, eine Legende. Watt hat die Dampfmaschine nicht erfunden, sondern entscheidend verbessert, indem er unter anderem einen Kondensator hinzufügte. Diese Erkenntnis erlangte er nicht durch das Studium von Kochtöpfen, sondern durch das Lesen von Büchern über Wärmetheorie, für die er extra die deutsche Sprache erlernte.
    Tatsächlich spielt wahrscheinlich der pure Zufall bei großen Erfindungen eine geringere Rolle, als gelegentlich behauptet wird. Oft steckt dahinter jahrelange, harte und vor allem systematische Entwicklungsarbeit. Doch diese Arbeit folgt in der Wissenschaft und Forschung sehr oft einem einfachen Prinzip: Versuch und Irrtum.
    Ein Forscher hat vielleicht eine Idee, wie er eine bestimmte Verbesserung erreichen kann. Er baut eine Versuchsanordnung auf und überprüft die Idee. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bestätigt sich seine Hypothese - dann gibt es im Grunde keinen neuen Erkenntnisgewinn, da genau das geschieht, was er vorhergesagt hat. Oder sie bestätigt sich nicht - dann lernt der Forscher etwas. Vielleicht waren seine Grundannahmen falsch, oder der Aufbau des Versuchs hat nicht funktioniert. Auf jeden Fall ist etwas
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