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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Unvorhergesehenes passiert. Oft sind es diese unvorhergesehenen Ereignisse, die neue Erkenntnisse ermöglichen. Denn der Forscher muss nun seine Annahmen korrigieren und an seiner Konstruktion oder an der Versuchsanordnung etwas ändern.
    Wichtig daran ist, dass diese Erkenntnisse unvorhergesehen und damit in gewisser Hinsicht zufällig sind. Sie beruhen ja auf einem Fehler, der die verschiedensten Ursachen haben kann - zum Beispiel unvollständige Information, mangelnde Konzentration oder falsche Annahmen. Der Zufall spielt also doch eine wesentliche Rolle beim technischen Fortschritt.
    Ein weiteres Beispiel für Zufallseinflüsse ist eine in der Produktentwicklung oft angewandte Methode zur Ideengewinnung: das Brainstorming. Dabei trifft sich eine kleine Gruppe von Mitarbeitern, die nicht unbedingt Fachleute sein müssen, zum Ideenaustausch. Es geht dabei aber nicht darum, konkrete Ideen zu diskutieren, sondern auf neue Ideen zu kommen. Die wichtigste Brainstorming-Regel besagt deshalb, dass Kritik an Ideen verboten ist. So kommt es häufig vor, dass ein Teilnehmer eine auf den ersten Blick unsinnige Idee in den Raum wirft, die jedoch bei einem anderen Teilnehmer eine Assoziation weckt, die wiederum zu einer sinnvollen Idee führt. Die Machbarkeitsprüfung und Verfeinerung der gewonnenen Ideenansätze erfolgen erst in einem zweiten Schritt.
    Das Brainstorming wird zwar in der Regel mit einem konkreten Ziel initiiert, aber seine Ergebnisse sind vom Zufall stark beeinflusst. Sie hängen zum Beispiel davon ab, wer an der Sitzung teilnimmt. Wenn alle Teilnehmer ähnliche Kenntnisse in einem bestimmten technischen Bereich haben, werden andere Ideen erzeugt als in einem stark interdisziplinären Team. Letzteres wird wahrscheinlich »kreativere«, das heißt von den bisherigen Lösungen stärker abweichende Ideen entwickeln, die aber nicht notwendigerweise besser sein müssen.
    Weitere Zufallseinflüsse sind die aktuelle Tagesform der Teilnehmer, die Atmosphäre des Treffens (starker Leistungsdruck, zum Beispiel aufgrund einer Krise, oder entspannte Situation) und ihre Beziehungen untereinander. Gibt es einen sehr dominanten Teilnehmer, etwa den Chef der übrigen Gruppenmitglieder, werden Brainstormings meist weniger fruchtbar sein, weil sich niemand traut, offen seine Ideen »herauszuposaunen«.
    Doch selbst dann, wenn wir ganz für uns allein konzentriert über ein Problem nachdenken, spielt der Zufall bei der Lösungsfindung oft eine Rolle. Um das zu demonstrieren, spielen wir noch einmal unser kleines Evolutionsspiel. Die Regeln lauten diesmal:
    1.    Die Startzahl ist 20, die Idealzahl 39.
    2.    In jeder Generation können Sie die Ausgangszahl in genau einer der folgenden vier Arten mutieren: 2 addieren, 2 subtrahieren, mit 2 multiplizieren oder durch 2 dividieren.
    3.    Ihre Aufgabe ist es, in möglichst wenigen Generationen die Idealzahl exakt zu erreichen.
    Versuchen Sie bitte einen Moment, das Problem zu lösen, bevor Sie weiterlesen.
    Wenn Sie genauso wenig von Mathematik verstehen wie ich, ist die optimale Lösung nicht sofort offensichtlich. Also haben Sie vermutlich begonnen, in Gedanken nach einer möglichen Lösung zu suchen. Und zwar, indem Sie die zur Verfügung stehenden Mutationsmöglichkeiten ausprobieren.
    Sie werden vielleicht zunächst 2 zu der Startzahl addiert haben, merkten aber schnell, dass Sie das nicht wirklich weiterführt: Es dauert ziemlich lange, bis Sie auf diese Weise in die Nähe der Idealzahl kommen, exakt treffen können Sie sie nicht. Verdoppeln bringt Sie zumindest wesentlich schneller in die Nähe der Idealzahl. Aber wie kommt man von 40 zu 39? Ziehen Sie 2 ab, erhalten Sie 38 und sind dem Ziel auch nicht näher. Probieren wir mal das Dividieren. 38 durch 2 ist 19. Das klingt schon mal gut. Jetzt müssen wir nur noch 10-mal die 2 addieren, und wir sind am Ziel. Aber das muss doch noch eleganter gehen! Verdoppeln Sie die 38, addieren 2 und halbieren dann das Ergebnis, kommt ebenfalls 39 heraus - in insgesamt nur 5 Schritten. Also:
    1.    Generation: 20 . 2 = 40
    2.    Generation: 40 - 2 = 38
    3.    Generation: 38.2 = 76
    4.    Generation: 76+2 = 78
    5.    Generation: 78 : 2 = 39.
    Das ist schon recht schnell. Aber es ist noch nicht optimal. Finden Sie eine Lösung in 4 Generationen?
    Aus diesem kleinen Spiel können wir zwei Beobachtungen ableiten:
    1.    Vielleicht haben Sie ein paar Zahlen auf ein Blatt Papier gekritzelt, aber mindestens ein Teil des

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