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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Lebewesen anpassen. Und natürlich verändert sich die Umwelt, im Spiel durch die »Idealzahl« repräsentiert, laufend.
    Das Evolutionsspiel: Bogen bitte kopieren
    Aber das Spiel zeigt auf einfache Weise, dass die Anpassung einer Eigenschaft (Zahl) an einen Idealzustand (Idealzahl) mit Hilfe von Reproduktion, Mutation und Selektion zwangsläufig ist, und zwar auf rein abstrakter, mathematischer Ebene. Immer wenn Reproduktion, Mutation und Selektion wirken, findet eine allmähliche Veränderung hin zu einem - wie auch immer gearteten -Idealzustand statt.
    Wenn aber dieser Prozess der Evolution selbst auf einem Blatt Papier stattfinden kann, dann ist das Prinzip sicher nicht allein auf biologische Vorgänge begrenzt.
    Am Anfang von Kapitel 2 haben wir die formale Ähnlichkeit des Stammbaums der Automobile mit dem Stammbaum des Lebens bemerkt. Natürlich ist Ähnlichkeit allein noch kein Beweis dafür, dass hier tatsächlich dieselben Kräfte wirken. Doch wir haben gesehen, dass Evolution kein biologisches, sondern ein mathematisches Phänomen ist. Kann es sein, dass dasselbe Phänomen auch hinter der Entwicklung von Technologien steckt? Dass dieselbe universelle Kraft, die Amöben, Radieschen, Borkenkäfer, Kamele, Albert Einstein, Sie und mich hervorgebracht hat, auch zur Entwicklung von Briefumschlägen, Kartoffelschälern, Viagra und Talkshows im Fernsehen führte?
    Diese zunächst sehr gewagt klingende Behauptung lässt sich leicht überprüfen. Denn wenn der oben erklärte mathematische Zusammenhang der Evolution immer gilt, sobald seine Voraussetzungen erfüllt sind, dann müssen wir ja nur herausfinden, ob diese in der technischen Entwicklung gegeben sind. Wenn es also bei der Entstehung neuer Produkte und Technologien Reproduktion, Mutation und Selektion gibt, dann muss Evolution dabei eine entscheidende Rolle spielen.
    Kaum jemand wird bezweifeln, dass bei der Entwicklung von Technik Reproduktion stattfindet. Nicht nur Produkte wie Autos, MP3-Player oder Dosensuppe werden in großen Mengen »reproduziert«, sondern es werden zum Beispiel auch Konstruktionspläne für Autos oder Suppenrezepte vervielfältigt, beispielsweise im Internet, in Fachbüchern oder in den Aktenordnern und auf den Computerfestplatten der Herstellerfirmen.
    Mutation ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen: Eine Auto-Generation unterscheidet sich in vielen Details von der nächsten, MP3-Player werden immer leistungsfähiger, und die Zutaten für Suppe verändern sich vielleicht im Laufe der Zeit, wenn sich der Geschmack der Zielgruppe ändert.
    Und die Selektion? Sie findet auf dem »Markt« statt: Verbraucher entscheiden sich für bestimmte Produkte, die dann weiter vervielfältigt werden. Andere »sterben aus«, das heißt sie werden nicht mehr produziert.
    Auf den ersten Blick spricht also alles dafür, dass die Evolution tatsächlich die treibende Kraft hinter dem technischen Fortschritt ist. Es gibt allerdings einen offensichtlichen Unterschied zwischen der Evolution in der Natur und der Entwicklung beispielsweise des Automobils: Ohne Zweifel werden Autos nicht rein zufällig mutiert, sondern gezielt weiterentwickelt. Unsere Intelligenz und unser Wille, unsere Intention spielen eine wesentliche Rolle.
    Dies ist das wichtigste Argument gegen die Übertragbarkeit der Evolutionstheorie auf den technischen Fortschritt. Doch sieht man etwas genauer hin, stellt man fest, dass die Unterschiede verblassen.

1.4. Der Fortschritt ist blind
    Kein Zweifel: Mutation und Selektion von Technologien werden normalerweise bewusst vorgenommen, von Menschen, die dafür viel Geld bekommen. Neue Produkte werden erforscht, entwickelt, geplant, mit raffinierten Kampagnen im Markt eingeführt. Nichts wird dem Zufall überlassen. So muss es jedenfalls auf Außenstehende wirken.
    Betrachten wir zunächst die Auswirkungen, die ein solches gezieltes Vorgehen auf die Evolution hat. Spielen wir unser Evolutionsspiel noch einmal, aber diesmal mit veränderten Regeln:
    1.    Tragen Sie dieselbe Start- und Idealzahl ein wie im ersten Spiel.
    2.    Diesmal mutieren Sie die Zahl nicht zufällig. Vermindern oder erhöhen Sie alle Zahlen jeder Generation immer um
    2 in Richtung der Idealzahl. Wenn beispielsweise die Startzahl 50 und die Idealzahl 20 ist, schreiben Sie in alle Felder der ersten Generation 48, in die der zweiten 46 usw. Wenn die Idealzahl nur noch um 1 von der selektierten Zahl abweicht, variieren Sie natürlich nur noch um 1.
    3.

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