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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Intelligenztests einseitig vor allem das messen, was leicht zu messen und zu quantifizieren ist. Das bedeutet nicht, dass es unmöglich wäre, die Intelligenz eines Menschen zu beurteilen - aber es ist alles andere als einfach.
    Auch der Turing-Test misst nicht allgemein »künstliche Intelligenz«, sondern speziell die Fähigkeit einer Maschine, so zu tun, als sei sie ein Mensch. Im Grunde misst er gleichzeitig die Intelligenz und das Computerfachwissen der Testperson. Denn es hat sich gezeigt, dass Laien viel eher auf einen Roboter wie Elbot »hereinfallen« als Computerexperten. Letztere wissen, welche Fragen sie stellen müssen, um eine Maschine als solche zu entlarven.
    Nehmen wir an, unser Außerirdischer aus dem Kapitel »Sind Städte lebendig?« würde an einem Turing-Test teilnehmen. Obwohl er einer überlegenen Zivilisation entstammt, die schon lange in der Lage ist, überlichtschnelle Raumschiffe zu bauen, und als brillanter Ingenieur von seinem Volk für diese Raumflugmission ausgewählt wurde, hätte er wohl keine Chance, die Jury zu täuschen: Man würde mit wenigen Testfragen herausfinden, dass er kein Mensch ist. Aber wäre er deswegen etwa nicht intelligent?
    Es gibt kaum noch ein Gebiet, in dem Maschinen dem Menschen nicht überlegen sind:
    -    Sie können sich schneller fortbewegen.
    -    Sie können im Unterschied zu uns fliegen, in beliebige Tiefen tauchen und sich durch den Weltraum bewegen.
    -    Sie können viel schärfer sehen und haben ein besseres Gehör.
    -    Sie können (mit Hilfe von Massenspektrometern) Gerüche wahrnehmen, die den besten Nasen des Tierreichs entgehen.
    -    Sie können Objekte mit wesentlich größerer Präzision manipulieren als menschliche Hände.
    -    Sie können schneller logische Schlussfolgerungen ziehen.
    -    Sie können sich Informationen besser merken und sie schneller wiederfinden.
    -    Sie können besser rechnen.
    -    Sie können besser Schach spielen.
    Die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Dabei ist natürlich nicht eine bestimmte Maschine gemeint, sondern die Summe aller Maschinen, wobei es aber durchaus denkbar wäre, eine einzige Maschine zu konstruieren, die alle oben aufgeführten Eigenschaften besitzt. Maschinen können sogar kreativ werden: Sie können Gedichte schreiben, Sinfonien komponieren und Bilder malen. Es wird allerdings sicher noch eine Weile dauern, bis menschliche Kunstexperten zugestehen, dass diese Werke an die Qualität menschlicher Kunstwerke heranreichen.
    Nur auf einem Gebiet wird der Mensch den Maschinen wohl immer überlegen bleiben: In der Fähigkeit, genau wie ein Mensch zu sein.
    Der Turing-Test erscheint im Nachhinein fast wie der verzweifelte Versuch, Intelligenz so zu definieren, dass Maschinen sie möglichst lange nicht erreichen können.
    Vielleicht hat Turing, der mathematisch bewies, dass Maschinen prinzipiell jedes lösbare Problem lösen können, geahnt, dass unsere »geistige Überlegenheit« sehr schnell in Gefahr gerät, wenn Intelligenz lediglich als das Lösen logischer Probleme und abstrakter Aufgaben wie Schachspielen definiert ist.
    Die enge Definition von Intelligenz als die Fähigkeit, »so zu denken wie ein Mensch«, gibt uns das wohlige Gefühl, dass Maschinen davon wohl noch sehr weit entfernt sind. Und tatsächlich fällt es Informatikern außerordentlich schwer, Maschinen zu konstruieren, die sich in unserer Alltagswelt zurechtfinden. Man weiß heute, dass menschliche Intelligenz keine abstrakte Geistesleistung ist, sondern eng mit der Körperlichkeit des Menschen, mit seinen Erfahrungen als Kind und Heranwachsender verknüpft ist. Daraus hat sich eine spezielle Forschungsrichtung entwickelt, das »Embodiment« (»Verkörperlichung«): Künstlich intelligente Roboter sollen über ihre Körperlichkeit lernen, mit Alltagsproblemen wie dem Umgehen von Hindernissen, dem räumlichen Denken und auch dem »Ich« als einer inneren Projektion ihrer selbst zurechtzukommen.
    In »Das System« beschreibe ich ein Szenario, in dem ein Computervirus, der sich über das ganze Internet ausbreitet, eine eigene Form von Intelligenz entwickelt. Der Roman ist natürlich hochspekulativ; dennoch habe ich mich bemüht, möglichst dicht an den realen technischen Möglichkeiten zu bleiben. Lediglich in einem Punkt habe ich maßlos übertrieben. Deutlich wird das beispielsweise an folgendem Textausschnitt:
    Lisa schüttelte nur den Kopf. Sie setzte an, etwas in die Tastatur zu tippen,

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