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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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beantworten?«
    Wenn Sie es selbst einmal ausprobieren möchten: Elbot ist Tag und Nacht im Internet unter der Adresse www. elbot.de (auf Deutsch) und www.elbot.com (auf Englisch) verfügbar und immer zum Plaudern aufgelegt. Zeitweise redet er sogar mit mehreren hundert Besuchern gleichzeitig.
    Natürlich kann Elbot nicht wirklich »denken«. Ähnlich
    dem Schach spielenden Türken handelt es sich hier um einen komplizierten Trick. Das Programm analysiert die Eingaben des Benutzers und vergleicht sie mit einer Datenbank, die seine Entwickler erstellt haben. Es sucht in der Eingabe des Anwenders nach bekannten Mustern und gibt vorbereitete Antworten aus. Teilweise benutzt es Elemente aus der Eingabe und formuliert diese um.
    Wenn der Anwender beispielsweise schreibt: »Lustiger kleiner Roboter«, dann macht Elbot vielleicht daraus: »Augenblick mal. Wollen Sie damit sagen, dass künstliche Intelligenz immer klein ist?« Dabei hat er einfach den Begriff »Roboter«, den er auf sich selbst bezieht, in »künstliche Intelligenz« umformuliert und das Adjektiv »klein« als Frage zurückgegeben. Hätte der Anwender stattdessen eingetippt: »Lustiger gelber Roboter«, hätte die Antwort gelautet: »Augenblick mal. Wollen Sie damit sagen, dass künstliche Intelligenz immer gelb ist?«
    Wie man an dem obigen Dialog sehen kann, ist das Programm schon recht geschickt darin, scheinbar intelligent auf menschliche Eingaben zu reagieren. Tatsächlich gibt es sogar immer wieder Anwender, die nicht glauben können, dass tatsächlich »nur« eine Maschine mit ihnen kommuniziert. In diesen Fällen hat Elbot den Turing-Test also bestanden.
    Elbot ist eine Weiterentwicklung (man könnte auch sagen, ein Nachkomme) des berühmten Programms »Eliza«, das Joseph Weizenbaum am Massachusetts Institute for Technology in den sechziger Jahren erstellte. Schon damals war Eliza in der Lage, die Illusion von Intelligenz für Laien glaubhaft zu erzeugen. Es geht die Legende, dass Weizenbaum eines Tages von seiner Sekretärin gebeten wurde, sie einen Augenblick allein zu lassen, da sie mit Eliza etwas Vertrauliches besprechen wolle. Namhafte Psychiater glaubten damals, bestimmte Formen psychiatrischer Therapie könnten in Zukunft von Maschinen erledigt werden (was wohl mehr über die Psychiatrie aussagt als über die Maschinen). Weizenbaum wurde daraufhin zu einem scharfen Kritiker der künstlichen Intelligenz und der Leichtgläubigkeit und Naivität der Menschen im Umgang mit Computern.
    Elbot und Eliza offenbaren ein Grundproblem des Turing-Tests und aller Versuche, künstliche Intelligenz zu messen. Der Computerlinguist Manfred Stede bemerkt in einem Buch zur Einführung in die methodischen Grundlagen Künstlicher Intelligenz lapidar, ein Intelligenztest messe »im Grunde nicht viel mehr als die Fähigkeit, Intelligenztests zu lösen«. Er berichtet von einem Trainingseffekt durch systematisches Beschäftigen mit Intelligenztests, der dazu führte, dass ihm »in letzter Zeit immer wieder ein IQ um 135 bescheinigt« wurde, obwohl er sich selbst »in keiner Weise für ein Genie« halte.
    In den zwanziger Jahren führte die US-Armee einen breit angelegten Intelligenztest durch, bei dem sich starke Intelligenzunterschiede zwischen Schwarzen und Weißen, aber auch zwischen den Einwanderern aus verschiedenen Ländern zeigten. Dieses Ergebnis prägte die öffentliche Debatte und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Einwanderungspolitik der USA. Später wurde klar, dass die Unterschiede nicht in der Intelligenz der Testpersonen, sondern in der Testmethodik begründet lagen: Der Test enthielt Fragen, die auf Allgemeinbildung basierten und für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds unterschiedlich schwierig zu beantworten waren.
    Der Versuch, »Intelligenz« zu messen und in einer einzigen Größe zu quantifizieren, ist immer wieder scharf angegriffen worden. So legte Stephen Jay Gould in »The
    Mismeasure of Man« dar, dass dieses Vorgehen große Gefahren birgt und zu Fehlurteilen und Diskriminierung führt. Menschen und auch Tiere haben sehr unterschiedliche intellektuelle Fähigkeiten, vom räumlichen Denken über das Lösen logischer und mathematischer Probleme und die kreative Ideenentwicklung bis zur intuitiven Erfassung von Situationen oder der Fähigkeit, sich auf andere Menschen einzustellen - der »Beziehungsintelligenz«. Letztere ist besonders schwer messbar, und so liegt der Verdacht nahe, dass typische

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