Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
nutzen. Wenn unsere SteinzeitVorfahren auf eine leichte Beute stießen, dann haben sie diese erlegt, auch wenn sie gerade keinen Hunger hatten, um sich auf Zeiten der Knappheit vorzubereiten. Der Philosoph Thomas Hobbes hat schon im 17. Jahrhundert diese Zukunftsangst als Quelle der Gier und Maßlosigkeit des Menschen identifiziert. Sicher ist sie auch eine wesentliche Triebkraft der memetischen Evolution.
Zum Glück sind wir intelligent und lernfähig und durchschauen diese Tricks, wenn wir bewusst darauf achten. Dennoch fallen wir oft genug auf die Lockungen der Produkte herein. Dabei hat die memetische Evolution ja gerade erst richtig begonnen. Bisher sind es noch die Marketing-Strategen in den Firmen, Menschen also, die darüber entscheiden, wie wir manipuliert werden. Sie entwickeln neue Strategien, uns zu verführen, und wir Konsumenten lernen, diese Strategien zu erkennen. Doch der Rüstungswettlauf zwischen der Konsumgüterindustrie und ihren Kunden ist unfair, denn auf der Seite der Industrie helfen Maschinen mit.
Produktverpackungen und Werbestrategien werden immer noch von Menschen gemacht, aber Computer haben einen immer größeren Anteil daran. Nicht nur, dass heute alle Anzeigen und Verpackungs-Layouts am Computer gestaltet werden und uns immer häufiger Online-Werbung begegnet: Computer liefern den Marketing-Entscheidern in der Industrie auch die Informationsgrundlage dafür, welche Produkte erfolgreich sind und wie diese beworben werden sollten.
Datenschützer werden nicht müde, vor dem »gläsernen Verbraucher« zu warnen. Nicht zu Unrecht, denn allen Bemühungen um Datenschutz zum Trotz wissen Industrie und Handel inzwischen ungeheuer viel über ihre Kunden.
Als in den siebziger Jahren die Baader-Meinhof-Bande mit ihrem Terror die Grundfesten der Bundesrepublik zu erschüttern versuchte, stand der Staat ihr zunächst hilflos gegenüber. Hochintelligente Terroristen können sich in der Masse perfekt verstecken, sind mobil und daher mit klassischen Polizeimethoden kaum dingfest zu machen. Doch das Bundeskriminalamt fand einen mächtigen Verbündeten: Die Terroristen wurden mit Hilfe von Maschinen gejagt und gestellt. Man nutzte dafür ein völlig neues Instrument: die sogenannte Rasterfahndung.
Damals waren Computer noch lange nicht so allgegenwärtig wie heute, aber es gab sie schon: in den Einwohnermeldeämtern, beim Finanzamt, bei der KraftfahrzeugZulassungsstelle, bei Banken und Versicherungen. Man erkannte, dass Terroristen charakteristische Datenmuster hinterlassen - indem sie keine Daten erzeugen. Man musste also nur nach Wohnungen suchen, in denen »niemand« wohnte, nach Menschen, die keine Zeitschriften abonniert hatten, niemals mit Kreditkarten zahlten, keinem geregelten Beruf nachgingen, das richtige Alter hatten und so weiter. Das Kombinieren unterschiedlicher Datenbanken brachte dann den gewünschten Erfolg, die Terroristen wurden identifiziert und konnten bald verhaftet werden.
Ähnliche Techniken wenden heute Marketingprofis an, um Informationen über Sie und mich herauszufinden. Sie heißen »Heinz« oder »Gerda«, »Kevin« oder »Sabine«? Dann kann man mit hoher statistischer Signifikanz Ihr ungefähres Alter bestimmen, denn diese Namen waren bei werdenden Eltern zu ganz bestimmten Zeiten populär. Die Straße, in der Sie wohnen, bestimmt Ihr soziales Milieu und korreliert stark mit Ihrem Einkommen. Wenn Sie unter 30 sind und einen teuren Sportwagen fahren, werden Sie bei einer Bank möglicherweise Schwierigkeiten haben, einen Kredit zu bekommen, sofern Sie nicht tatsächlich Millionär sind, denn die Bank »erkennt« in der Kombination von jungem Alter, teurem Auto und vielleicht noch einer Adresse in einem strukturell einkommensschwachen Wohngebiet das Muster eines Menschen, der auf zu großem Fuße lebt. Natürlich wird die Bank in jedem Fall eine Auskunft bei einem speziellen Dienstleistungsunternehmen anfordern, das genau weiß, ob Sie jemals einen Kredit nicht zurückgezahlt haben oder mit Ihrer Miete länger im Rückstand waren. Diese Auskunft gibt selbstverständlich ein Computer.
Wenn Sie im Internet die Website eines Autoherstellers besuchen und kurz darauf bei der Online-Ausgabe einer Zeitschrift auf Werbung genau dieses Herstellers stoßen, dann ist das vielleicht kein Zufall. Dahinter steckt möglicherweise clevere Marketingtechnik, die Ihnen nur die Werbebotschaften senden will, für die Sie besonders empfänglich sind. »Targeted Advertising«
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