Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
(zielgerichtete Werbung) nennt man das.
Diese Techniken sind weder illegal noch »böse«. Sie dienen nicht dazu, Sie zu täuschen oder unerlaubt Geld von Ihrem Konto abzubuchen. Man will Ihnen nur etwas anbieten, für das Sie sich wahrscheinlich tatsächlich interessieren. Dennoch ist all das natürlich Manipulation. Meme »wollen« reproduziert werden und nutzen alle Tricks, um ihr Ziel zu erreichen.
Man darf nicht außer Acht lassen, dass die Technik auch dem Konsumenten hilft. Das Internet hat eine ungeheure Markttransparenz gebracht, die so manche klassische Marketingkampagne wirkungslos verpuffen ließ. Verbraucherforen wie Ciao.de fördern den Meinungsaustausch der Kunden untereinander, auf Reiseportalen wie HRS werden Hotels von den Gästen bewertet, bei allen Online-Buchhändlern erhält man ausführliche Meinungen von Lesern zu den Büchern. Da nützt es dann wenig, wenn der Verlag »spannend« in die Werbung schreibt, aber die meisten Le-ser das Buch »zum Gähnen« finden. Umgekehrt erlangen unter Umständen Bücher völlig unbekannter Autoren durch die altbekannte »Mund-zu-Mund-Propaganda« (gibt es ein schöneres Wort für die Reproduktion von Memen?) überraschende Popularität.
Dummerweise haben das die Marketingverantwortlichen längst begriffen. Immer häufiger sind Rezensionen mehr oder weniger geschickt »getürkt«, also nicht von neutralen Lesern, sondern von Verlagsmitarbeitern oder den Autoren selbst erstellt. Umgekehrt gibt es manchmal gehässige, beleidigende Verrisse, die offensichtlich nur dazu dienen sollen, dem Autor zu schaden - aus welchen Gründen auch immer.
Eine besonders raffinierte Guerilla-Taktik, die von Trittbrettfahrern auch bei meinen eigenen Büchern angewendet wurde, ist folgende: Man lobt ein Buch über den grünen Klee, um im Rezensionstext darauf hinzuweisen, dass es nur ein Buch gibt, das noch besser ist - das eigene. Natürlich gibt sich der Autor nicht als solcher zu erkennen, sondern verwendet eine Tarn-Identität oder schickt Freunde vor. Ich bin einmal auf diesen Trick hereingefallen und habe in den USA ein Buch bestellt, das offensichtlich im Selbstverlag erschienen war und nicht nur mit einer hanebüchenen Geschichte und schlechtem Schreibstil, sondern auch mit unzähligen Schreibfehlern aufwartete.
Die Anonymität des Internets ist Segen und Fluch zugleich. Das »Web 2.0«, bei dem sich die Internetnutzer aktiv an der Gestaltung von Online-Inhalten beteiligen, hat auch seine Schattenseiten. Denn nun kann alle Welt offen sehen, was ein bestimmter Mensch kauft oder denkt, woran er glaubt oder wen er kennt. Datenschutz hilft wenig, wenn der Anwender die schützenswerten Informationen freiwillig in die Öffentlichkeit trägt.
Die Folgen dieser totalen Transparenz sind kaum absehbar, da es das »Mitmach-Internet« erst seit wenigen Jahren gibt. Inzwischen gibt es jedoch die ersten Fälle von Menschen, die ihre Karriere ruinierten, weil sie im Internet etwas veröffentlicht haben, das ihrem Ansehen schadete. Google ist unbarmherzig und vergisst nichts - auch keine »Ausrutscher«, beispielsweise in Form von wütenden Online-Tagebuch-Einträgen, die nachts um drei unter Alkoholeinfluss geschrieben werden.
Natürlich haben auch Kriminelle die neuen Möglichkeiten längst erkannt. Das Internet wird immer mehr zum Tummelplatz von Dieben, Gaunern und Übeltätern. Meme sind egoistisch - sie nutzen ihre Verbreitungschancen auch dann, wenn es für die Mehrzahl der Menschen schädlich ist.
Interessant ist zu beobachten, wie sich die Tricks der Betrüger in einer unseligen memetischen Evolution immer weiter verbessern. In der Frühzeit des Internets reichte es, einfach Massenmails mit Werbeinhalten zu verschicken -damals wurde noch jede E-Mail geöffnet und gelesen. Inzwischen gibt es Schutzprogramme, die diese unerwünschten »Spam-Mails« ausfiltern. Aber natürlich optimieren die Spammer die Texte und Betreffs ihrer E-Mails, so dass Filterprogramme diese nicht erkennen und immer wieder Unverlangtes im Posteingangskorb landet.
Ähnliches geschieht beim »Phishing«, einer illegalen Online-Version der aus der Natur bekannten Mimikry: Websites tarnen sich als die Benutzeroberfläche von Online-Banken oder Online-Shops und fordern zur Eingabe von Kontodaten, Passwörtern etc. auf. Wer nicht aufpasst, gibt diese Daten an den Falschen weiter, und innerhalb von Sekunden ist sein Konto leer oder ein hoher Betrag von der Kreditkarte abgebucht.
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