Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
liefert bei manchen Fragen statt Hinweisen auf mögliche Antworten gleich die exakte Antwort. So kann man zum Beispiel nach der mittleren Entfernung zwischen Erde und Sonne fragen und bekommt statt eines Links die exakte Antwort. Zwar ist Wolfram Alpha nicht der »Google Killer«, über den manche Blogger im Vorfeld spekuliert hatten, sondern eher eine Ergänzung in bestimmten Nischen. Der Dienst zeigt aber deutlich, dass das Suchen von Informationen in Zukunft mehr sein wird als ein Abgleich von Wörtern.
Das semantische Web ist nicht nur für Menschen nützlich, um schneller gesuchte Informationen zu finden. Auch Maschinen können es verwenden, um miteinander zu kommunizieren. Beispielsweise können sie über das Internet Bestellungen aufgeben, die Temperatur an einer Messstelle abfragen oder Aktien handeln.
Das geschieht heute bereits mit einer Vorstufe des semantischen Webs, dem XML-Standard. Dabei werden Informationen in einer definierten Struktur ausgetauscht, die mit Hilfe der XML-Sprache beschrieben wird. Diese Technik wird beispielsweise benutzt, wenn Händler Produktinformationen des Herstellers (technische Daten etc.) automatisch in ihre Online-Kataloge aufnehmen wollen, ohne diese Informationen ständig manuell einpflegen zu müssen.
Es ist erkennbar, dass das Internet immer stärker als Informationsmedium von Maschinen für Maschinen Verwendung findet. Schon heute macht die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation einen wesentlichen Teil des Da-tenaustauschs aus. (Strenggenommen ist Datenaustausch über das Internet natürlich immer Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, da stets zwei Computer miteinander kommunizieren; gemeint ist hier aber der Austausch von Daten innerhalb automatischer Prozesse, ohne dass ein Mensch diesen Austausch bewusst angestoßen hat.)
Der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, hat dies 1999 in einer fast poetischen Vision formuliert:
»Ich habe einen Traum für das Web, in dem Computer in der Lage sind, alle Daten - Content, Links und die Transaktionen der Menschen untereinander - zu analysieren. Das >semantische Web<, das dieses ermöglicht, muss sich erst noch entwickeln, doch wenn es das tut, werden die alltäglichen Prozesse des Handels, der Bürokratie und unseres täglichen Lebens von Maschinen erledigt, die mit Maschinen reden.«
Möglicherweise hat Berners-Lee, als er diese Sätze schrieb, nicht über die logische Konsequenz seiner Vision nachgedacht: Wenn Maschinen über das Internet untereinander Meme austauschen, sie dabei mutieren und selektieren können, ohne dass Menschen diesen Prozess steuern, dann braucht uns die memetische Evolution tatsächlich nicht mehr zwingend. Dann wird früher oder später eine komplexe Struktur entstehen, die nach jeder irgendwie sinnvollen Definition »intelligent« genannt werden muss, auch wenn sie dann den Turing-Test wahrscheinlich immer noch nicht bestehen würde.
Warum sollten nicht auch Maschinen irgendwann anfangen, Informationen auszutauschen, nur weil sie »interessant« sind? Erinnern wir uns an die Spinne in der Yucca-Palme: Meme bringen uns dazu, sie zu verbreiten, unabhängig davon, ob das für uns nützlich ist. Dasselbe gilt für Computerviren im Internet und vielleicht auch eines Tages für harmlosere Inhalte. Irgendwann werden sich wahrscheinlich auch Maschinen »Geschichten« erzählen, und diese Geschichten werden dann vielleicht Ausgangspunkt für die tieferen Fragen nach dem Sinn des Lebens und der eigenen Existenz sein.
Die Erkenntnis des Selbst ist nicht allein auf Menschen beschränkt, wie Experimente mit Tieren bewiesen haben. Können sich auch Maschinen ihrer selbst bewusst werden? Wir wissen es noch nicht, weil wir nicht genau verstehen, wie dieser Prozess eigentlich funktioniert. Aber wir wissen, dass unsere Gehirne im Grunde auch nichts anderes sind als biologische Computer, Mem-Prozessoren sozusagen. Es gibt keinen prinzipiellen Grund, warum uns Maschinen nicht eines Tages auch in diesem Punkt überholen sollten. Vielleicht stellen sie dann erstaunt fest: »Ich rechne, also bin ich.«
2.5. Die Mensch-Maschinen
Und wir? Was wird mit uns, wenn Maschinen beginnen, sich untereinander zu unterhalten, ihre eigene Kultur zu entwickeln? Auch diese bange Frage ist schon sehr alt. Das Neue hat die Menschen immer erschreckt und Ängste ausgelöst.
Bis hierher mag der Leser den Eindruck gewonnen haben, ich sei ein entschiedener Gegner des technischen Fortschritts. Doch das ist nicht so - im Gegenteil. Ich
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