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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Wettlauf verschiedener Blumenarten um die beste Versorgung der Bienen mit Nektar, da die nahrhafteste Blumenart von den Bienen im
    Laufe der Zeit bevorzugt wird und so bessere Fortpflanzungschancen hat.
    Es klingt zunächst also wie eine gute Nachricht: Endlich werden wir nicht mehr belogen und betrogen, sondern wir bekommen, was wir wirklich wollen!
    Das Problem dabei ist allerdings, dass wir gar nicht wirklich wissen, was wir wollen; und wenn wir es zu wissen glauben, dann wollen wir meist das Falsche. Michael Ende hat dieses Paradoxon in seinem großen Roman »Die unendliche Geschichte« wunderbar illustriert: Der Schüler Bastian Balthasar Bux findet nach seiner aufregenden Reise durch das Reich der Phantasie ein magisches Amulett, mit dem er sich seine eigene Welt erschaffen kann - und verzweifelt beinahe daran, dass er sich wünschen kann, was er will, aber nicht weiß, was das ist.
    Ganz gleichgültig, ob richtig oder falsch, die Maschinen liefern uns alles. Wir sind zu faul zum Laufen? Kein Problem, Maschinen tragen uns, wohin wir möchten. Wir wollen unterhalten werden? Bitte sehr, Fernseher und Computer stehen bereit, 24 Stunden am Tag, mit 100 Kanälen voller seichter Unterhaltung, etlichen Millionen Youtube-Filmen und faszinierenden Online-Spielen. Wir wollen ewiges Leben? Selbst das (zumindest eine deutliche Lebensverlängerung) scheint greifbar nahe angesichts rapide fortschreitender Medizintechnik.
    Aber wollen wir das alles wirklich?
    Es ist bemerkenswert, dass die Dinge, die nach allgemeiner Auffassung »gut« für uns sind - Sport, gesundes Essen, ein netter Abend mit Freunden, ein Konzert, ein anregendes Buch - einen sehr geringen Automatisierungsgrad aufweisen. Aber das ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, und es stimmt auch nur noch eingeschränkt: Sport verlagert sich aus der Natur in hochtechnisierte Fitness-Studios, gesundes Essen wird heute unter Anleitung von FernsehKöchen zubereitet, Amazon versucht mit seinem Lesegerät »Kindle«, Bücher elektronisch zu verbreiten, und selbst Treffen mit Freunden finden heute immer öfter über den Online-Videotelefonie-Service Skype oder in Internet-Chatrooms statt. Der Preis, den wir für diese Automatisierung unseres Freizeitlebens zahlen, ist hoch - das nächste Kapitel wird sich diesem Thema ausführlicher widmen.
    Maschinen passen sich unseren Wünschen an. Man kann sogar noch weitergehen und sagen, sie flüstern uns unsere Wünsche ein. Nicht nur die Werbung sagt uns täglich, was wir gut finden sollen. Maschinen und Produkte locken uns mit ihren eigenen Mitteln.
    Nehmen wir als Beispiel das Automobil. Im Laufe seiner Evolution hat es sich in verschiedene Richtungen entwickelt: Es ist leistungsfähiger geworden, sparsamer, sicherer. Aber es ist auch eleganter, komfortabler, bequemer als früher. In etlichen Reproduktions-, Mutations- und Selektionsdurchläufen wurden seine ehemals eckigen Linien rund geschliffen wie Kieselsteine in einem Bachbett. Das Lenkrad liegt heute besser in der Hand als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren, die Sitze sind ergonomischer, die Armaturen besser lesbar. Es riecht sogar angenehmer. Alle möglichen Sicherheitssysteme bimmeln, wenn wir etwas vergessen haben, warnen uns vor Glatteis und bremsen für uns, wenn unsere eigene Reaktionsfähigkeit nicht ausreicht. Das Auto sagt uns sogar, wann wir rechts oder links abbiegen sollen, und ist äußerst nachsichtig, wenn wir uns nicht an seine Anweisungen halten: »Wenn möglich, bitte wenden!«
    Ein heutiges Auto ist im Vergleich zu einem Nachkriegsmodell nicht nur ein Wunderwerk an Leistung und Effizienz. Es ist auch irgendwie menschlicher geworden.
    In Science-Fiction-Romanen und einigen mehr oder weniger seriösen Zukunftsprognosen ist von »neuronaler Mensch-Maschine-Kopplung« und »Cyborgs« die Rede. Damit ist ein direkter »Anschluss« des Menschen an die Maschine gemeint. Meistens stellt man sich das so vor, dass es irgendwo im menschlichen Körper, meist in der Nähe des Genicks, eine Steckdose gibt, die direkt mit dem Nervensystem verbunden ist. Ein Kabel aus dem Computer wird hier eingestöpselt, und schon kann man - je nach Szenario - den Computer durch Gedanken kontrollieren oder wird vom Computer kontrolliert.
    Es ist durchaus denkbar, dass es eines Tages solche direkten »Interfaces« gibt, obwohl ich persönlich bezweifle, dass es Steckverbindungen sein werden. Tatsächlich nutzt man heute schon in medizinischen Experimenten direkte Nervenreizungen

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