Schokoherz
er mit gerunzelter Stirn.
»Das könntest eigentlich du übernehmen.«
»Ach!«, rief Tom. Endlich hatte ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Dafür koche ich. Das ist nur gerecht.«
»Aber ich habe diese Leute nicht eingeladen!«
»Tom, das sind wir ihnen schuldig. Wir waren inzwischen viermal bei ihnen, da ist längst eine Gegeneinla dungfällig. Außerdem sind sie deine ältesten Freunde.« Im Laufe der Jahre waren sie auch meine geworden, aber ursprünglich waren es eindeutig seine gewesen. Wir sahen uns einen Moment lang an.
»Hm«, sagte er und gab nach.
Später musste ich ihn gar nicht erst fragen, wie es im Supermarkt gelaufen war. Er war total sauer. Ich hoffte nur, dass sich seine Laune besserte, bevor die Gäste kamen. Wahrscheinlich war der Auslöser dafür gewesen, dass ich ihn auch noch gebeten hatte, Olli mitzunehmen. Immerhin hatte unser Sohn kaum Gelegenheit, Zeit mit seinem Daddy zu verbringen. Und gibt es etwas, das die Generationen mehr verbindet, als gemeinsam einen Einkaufswagen durch die Gänge zu schieben? Zugegeben, Samstag war nicht unbedingt der Tag, an dem man gern durch das Labyrinth bei Sainsbury's irrte. Aber nachdem wir beide arbeiteten, hatten wir einfach keine Wahl. Außerdem passte ich die ganze Zeit auf Madeleine auf. Das heißt, wir schlüpften noch einmal zum Kuscheln zurück ins Bett, aber das bleibt unter uns! Viele meiner Freunde mit kleinen Kindern beklagen sich bitter, dass sie immer den tollen Rat bekämen, gleichzeitig mit dem Baby zu schlafen, was sie für absolut unpraktikabel halten. Also, ich fand das eigentlich ziemlich einfach. Der bloße Anblick eines winzigen, süßen Babys mit geballten Fäustchen und zarten Wimpern auf einer flaumigen Wange zog meine Augenlider wie Felsbrocken nach unten. Schließlich passten meine Kleinen ihre Schlafgewohnheiten den meinen an. Irgendwie machte mich die Tatsache, mit einem Baby allein zu Hause zu sein, so ... müde ...
Schonwieder der Schlüssel! Das Klappern war für mich ein Alarmsignal, das mich hochschrecken ließ. Schneller, als man »pädagogisch wertvolles Spiel« sagen kann, sprang ich mit Madeleine aus dem Bett. Und als Tom mit Unmengen von Plastiktüten wie eine wandelnde Müllhalde hereingestolpert kam, fand er uns über die Steinchen mit dem Alphabet gebeugt, wie die Forscher im 19. Jahrhundert über den Stein von Rosetta.
Allerdings trog der Schein. Er hatte keineswegs den halben Laden leer gekauft. Vielmehr hatte er zugelassen, dass Olli ihm beim Einpacken half, was zur Folge hatte, dass jede einzelne Möhre in eine eigene Tüte gewickelt war, deren biologischer Abbau mehrere Jahrtausende dauern würde. Mein Sohn war ein Umweltsünder! Aber es war nicht seine Schuld. Wie allen Müttern fiel mir immer sofort ein anderer ein, der verantwortlich war. In diesem Fall musste ich nicht lange suchen, um den Schuldigen zu finden, der danebengestanden und wahrscheinlich per Handy mit seinem Büro kommuniziert hatte, während mein kleiner Olli sich mit den Plastiktüten ausgetobt hatte. Ich warf Tom, der sich in einen Sessel fallen ließ, einen giftigen Blick zu. Offensichtlich war er der Meinung, er habe alles getan, was man von einem Mann erwarten konnte – wenn nicht noch mehr. Denn er fischte sein Handy heraus und ließ die Finger über die Tasten flitzen. Grrr. Dieses Telefon war zu seinem persönlichen interaktiven Tröster geworden.
Sobald alle Tüten ausgepackt waren, warf ich einen skeptischen Blick auf die Auswahl an Wurzelgemüse, das auf der Küchentheke verstreut lag. Daraus ein annehmbares Abendessen für sechs Erwachsene zu zaubern würde nicht leicht werden. Aber ich hatte einfach nicht dieZeit, selbst noch einmal in den Supermarkt zu fahren – außerdem liebte ich Herausforderungen. Während ich einen Brocken Rindfleisch herausholte, der für Notfälle in der Gefriertruhe lagerte, schoss mir eine Kurzgeschichte von Roald Dahl durch den Kopf. Eine Ehefrau verwendet darin spontan eine gefrorene Keule als Mordinstrument. Doch dann beruhigte ich mich wieder. Diese Frau war ja nicht mit Tom verheiratet. Beim Einkaufen war er zwar ein hoffnungsloser Fall – ich wusste genau, er gab sich absichtlich wenig Mühe, um in Zukunft von ähnlichen Aufträgen verschont zu werden –, doch heute Abend würde er sein Bestes geben. Auf Partys war er immer großartig.
Als es 20.30 Uhr wurde, war Tom dabei, mit diesem wundervollen »Hop« die erste von zahlreichen Claret-Flaschen zu entkorken. Er sah großartig
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