Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
Vom Netzwerk:
sechs, das ist kein Witz! Sobald das englische Sandmännchen »Gute Nacht« gesagt hatte, wurde er von seiner Mutter ins Bett gesteckt – ohne Betthupferl, Kuscheltiere und sonstiges Trara. Natürlich hatte ich ihm auseinandergesetzt, dass es seit Dr. Spock als völlig in Ordnung galt, kleine Kinder zu knuddeln und auch mal später ins Bett zu bringen. Trotzdem war für ihn ein Baby, das nach 18 Uhr noch auf war, verzogen und ich, seine Mutter, himmelschreiend nachlässig.
    Daher zögerten wir drei bei diesem verdächtigen Geräusch nicht lange: Wir rannten die Treppe hinauf in Olivers Zimmer und kicherten dabei wie kleine Kobolde. Ich begann, sie aus ihren Kleidern zu zerren, während Olli, der Racker, laut »Zug, Zug, Schlafanzug« kreischte und damit meinen Versuch zunichtemachte, ihn in seinen Pyjama zu stecken, bevor sein Daddy ihn undmich ertappte. Leider brachte ich sie damit so zum Lachen, dass sie stundenlang nicht würden einschlafen konnen.
    Schon hörten wir schwere Schritte auf der Treppe. Wir erstarrten, dann brachen wir in wildes Gekicher aus. Olli hüpfte angezogen in sein Bett und zog sich die Decke bis zu den Ohren hoch. Madeleine versteckte sich hinter ihren kleinen drallen Fäustchen und gluckste laut. Ich lauschte. Plötzlich ertönte eine leise blecherne Melodie – Liszt? Ach was, es war Toms Handy. Ich hörte, wie er in seinen Ich-bin-zwar-wichtig-aber- trotzdem-ausnehmend-freundlich-Ton fiel, den er für Verhandlungen mit Jenny Dodd reserviert hatte. Als seine Redakteurin war sie dafür verantwortlich, dass er etwas zu Papier brachte. Er war immer reizend zu ihr, nannte sie aber hinter ihrem Rücken Sweeney Todd, weil sie seine brillanten Artikel so verstümmelte. Da er seinen allercharmantesten Tonfall bemühte, nahm ich an, dass sein Artikel mal wieder zu lang geworden war und er versuchte, ihn vor dem Rotstift zu retten. Die Schritte verklangen, Olli tauchte aus seinem Daunenbett auf, und das Baby ließ die Händchen sinken. Beiden war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Sie liebten es, mit ihrem Daddy herumzualbern.
    »Morgen Abend kommt Daddy zu euch«, versprach ich und zog ihnen rasch die Schlafanzüge an. Olli hatte einen niedlichen Pyjama mit Totenkopfmuster, dem ich nicht hatte widerstehen können, obwohl der Preis astronomisch gewesen war. Maddie sah in ihrem rosenübersäten Strampler aus wie ein pinkfarbenes Blumensträußchen, was gut zu ihrer rot geschwollenen Backe passte. Mit vielen Küssen und Umarmungen brachte ich sie ins Bett.Jeder bekam sein Lieblingskuscheltier mit unter die Decke: Maddie ihren kleinen Igel und Oliver seinen ramponierten, namenlosen blauen Elefanten. Ich schaltete das Schlummerlicht ein und zog das Musik-Mobile auf, das über dem Bettchen hing. Meine Mutter hatte es gekauft, weil es auf der Elternseite der Zeitung als großartige Einschlafhilfe empfohlen worden war. Leider war es abgrundtief hässlich und gab eine laute, schrille Melodie von sich, die eher an Gangsta-Rap erinnerte. Aus einem Gefühl der Liebe und Loyalität heraus fühlte ich mich jedoch verpflichtet, es jeden Abend aufzuziehen. Jedenfalls hörten die Kinder auf, nach Daddy zu jammern, und starrten stattdessen wie hypnotisiert das Mobile an. Wenigstens waren sie damit abgelenkt. Auf Zehenspitzen schlich ich aus dem Zimmer und lehnte die Tür hinter mir an.
    An der Treppe blieb ich noch einmal stehen. Wie immer fiel es mir schwer, mich für die Nacht endgültig von. meinen Kleinen zu trennen. Dann lief ich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter, um meine andere große Liebe zu suchen. Tom hatte sich in einen Sessel sinken lassen. Ich strahlte ihn glücklich an. Diese kurzen Augenblicke Erwachsenenzeit, die uns zwischen Job, Kindern und Schlaf blieben, waren für mich ganz besonders kostbar. Tom telefonierte immer noch und feilschte mit Jenny um jeden einzelnen Satz. Trotzdem schenkte er mir ein kurzes Lächeln und verdrehte die Augen, während er an seinen glänzenden braunen Locken zupfte, die hier und dort von grauen Strähnen durchzogen waren.
    Ich holte den Wein, schenkte uns beiden je ein großes Glas ein und stellte seines neben seinem Ellbogen ab. Er hauchte ein »Danke schön«, und ich begann, in der Kücheherumzuklappern. Ich fühlte mich ganz in meinem Element, während ich herumwuselte und das perfekte Abendessen für den Start ins Wochenende vorbereitete: Steaks, Champignons mit Hüten, so riesig wie die in Ascot, und dazu ein Schuss Sahne, vielleicht auch ein paar

Weitere Kostenlose Bücher